Rz. 368
Gemäß § 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG müssen die Verfügungsmöglichkeiten der Gesellschafter über die Anteile an der übertragungsgegenständlichen Personen- oder Kapitalgesellschaft beschränkt sein. Der Gesellschaftsvertrag darf lediglich Verfügungen zugunsten von Mitgesellschaftern, Angehörigen i.S.v. § 15 AO und – inländischen oder vergleichbaren ausländischen – Familienstiftungen (i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) zulassen. Der Beteiligungsumfang der Mitgesellschafter spielt keine Rolle, ebenso wenig, ob es sich bei dem Mitgesellschafter um eine natürliche Person, eine Stiftung oder eine andere Gesellschaft handelt.
Demzufolge dürfen weder Übertragungen auf Angehörige von Mitgesellschaftern noch auf Familien-Holdinggesellschaften zugelassen sein. Zum Personenkreis des § 15 AO gehören andererseits nicht nur solche Personen, bei denen die zugrundeliegende familiäre Beziehung aktuell (noch) besteht (§ 15 Abs. 1 AO). Vielmehr umfasst er auch "ehemalige Angehörige" (§ 15 Abs. 2 AO), z.B. den geschiedenen Ehegatten. Andere nahestehende Personen, z.B. der nichteheliche Lebenspartner, bleiben aber ausgeschlossen.
Rz. 369
Unklar ist auch, ob der Begriff "Verfügung" i.S.d. Vorschrift nur die Anteilsübertragung oder auch die Begründung von Treuhandverhältnissen, Unterbeteiligungen oder dinglichen Nutzungsrechten (Nießbrauch) umfasst. Auch die Gesetzesbegründung schweigt hierzu. Vor diesem Hintergrund wird man im Zweifel eine weite Auslegung des Begriffs zugrunde legen müssen. Daher sind jedenfalls alle dinglich wirkenden Rechtsgeschäfte als Verfügungen im Sinne der Vorschrift anzusehen, insb. also Verpfändungen, Nießbrauchsbelastungen etc.
Rz. 370
Teilweise wird diskutiert, ob "Verfügung" auch den Anteilsübergang von Todes wegen erfasse. Entsprechende Beschränkungen sind durch Vereinbarungen qualifizierter Nachfolgeklauseln ohne weiteres vorstellbar. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber den Wertabschlag als Ausgleich für eine eingeschränkte Fungibilität der Beteiligung gedacht hat, macht eine Ausdehnung des Verfügungsbegriffs auf Anteilsübergänge von Todes wegen aber wenig Sinn. Im Übrigen erfolgen solche Übergänge auch begrifflich gerade nicht durch Verfügungen, sondern vollziehen sich vielmehr primär auf erbrechtlichem Wege. Mithin sollte der Begriff der Verfügung also auf Verfügungen unter Lebenden beschränkt bleiben. Dessen ungeachtet geht die Finanzverwaltung davon aus, dass auch Anteilsübergänge von Todes wegen in gleicher Weise beschränkt sein müssten wie Verfügungen unter Lebenden.
Rz. 371
Wie oben bereits erwähnt, kommt es nicht nur auf die vertragliche Vereinbarung, sondern auch auf die dieser entsprechenden tatsächlichen Verhältnisse an. Insoweit stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich einzelne die gesellschaftsvertraglichen Vorgaben durchbrechende Gesellschafterbeschlüsse auf die Frage auswirken, ob "die Bestimmungen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen".
Gesellschaftsvertragliche Verfügungsbeschränkungen bei Familiengesellschaften zielen im Grundsatz darauf ab, eine unerwünschte und insb. unkontrollierte Ausweitung des Gesellschafterkreises zu verhindern. Mit entsprechender Zustimmung der Gesellschafterversammlung und/oder der (aller) Mitgesellschafter sind aber i.d.R. auch andere (nicht den vertraglichen Restriktionen entsprechende) Übertragungen möglich. Vor diesem Hintergrund sollte § 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG eigentlich so auszulegen sein, dass die dort geforderten Einschränkungen sich lediglich auf die zustimmungsfreie Anteilsübertragung beziehen müssen und dass anderweitige Übertragungen mit Zustimmung der Mitgesellschafter nicht (jedenfalls nicht automatisch) zu Zweifeln an der tatsächlichen Durchführung des Vertrages Anlass geben sollten.
Auch insoweit vertritt die Finanzverwaltung allerdings eine strengere Linie; sie geht ausdrücklich davon aus, dass die gesetzlichen Voraussetzungen "nach dem Wortlaut" nicht erfüllt seien, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag eine Verfügung auf andere als die im Gesetz genannten Personen nach Zustimmung der übrigen Gesellschafter möglich sei. Das gelte auch für die Übertragung auf eine vermögensverwaltende Familiengesellschaft, an der (ausschließlich) Angehörige des Gesellschafters beteiligt sind. Das wird sicher auch dann gelten, wenn der Gesellschaftsvertrag zu dieser Möglichkeit schweigt und die Übertragung aufgrund eines den Vertrag/die Satzung durchbrechenden Beschlusses erfolgt.
Rz. 372
Keine Verfügung ist die Aufnahme (neuer) Gesellschafter im Rahmen von Kapitalerhöhungen. Denn hier werden nicht bestehende Anteile übertragen, sondern vielmehr neue begründet.