Rz. 99
Bei einer gemischten Schenkung (siehe Rdn 39) muss der Zuwendende das grobe Missverhältnis zwischen dem Verkehrswert der Leistung und der Gegenleistung kennen, das die Rechtsprechung fordert, um von den objektiven Umständen auf eine gemischte Schenkung schließen zu können. Fraglich ist jedoch, wann ein solches auffälliges Missverhältnis zu bejahen ist. Während das FG Münster einen Toleranzrahmen von 20–25 % des Wertes anerkennt, stellt das FG Düsseldorf auf die Schwierigkeit der Wertermittlung im Einzelfall ab: Je schwieriger die Wertermittlung sei, desto größer sei der Toleranzspielraum (im entschiedenen Fall bis zu 51 %). Schätzt der Zuwendende ein zu bejahendes auffälliges Missverhältnis geringer ein, vermindert dies den Umfang der freigebigen Zuwendung. Nach anderer Ansicht kommt es nur darauf an, dass der Zuwendende das auffällige Missverhältnis kannte. Ob er den Wertunterschied höher oder niedriger einschätzt, soll unerheblich sein und die Besteuerung stets auf Basis des tatsächlich gegebenen Wertunterschiedes erfolgen.
Beispiel
S verkauft der T sein Segelboot für 50.000 EUR. Er geht dabei davon aus, dass es einen Verkehrswert von 110.000 EUR hat. Tatsächlich ist es jedoch 150.000 EUR wert, da es sich um eine besonders hochwertige Sonderanfertigung handelt, was S nicht bekannt ist.
Da der Verkehrswert des Bootes den Kaufpreis um 100.000 EUR übersteigt, käme in dieser Höhe eine gemischte Schenkung in Betracht. Kann S jedoch nachweisen (z.B. anhand von Verkaufslisten, vergleichbaren Zeitungsinseraten usw.), dass er von einem Verkehrswert in Höhe von lediglich 110.000 EUR ausgegangen ist, wollte er die T lediglich in Höhe von 60.000 EUR (110.000 EUR – 50.000 EUR) unentgeltlich bereichern. Nur soweit reichte sein Wille zur unentgeltlichen Zuwendung an T mit der Folge, dass nur dieser Betrag einer Schenkungsteuer unterworfen werden kann.
Nach anderer Ansicht ist dem S ein solcher Nachweis abgeschnitten. Die schenkungsteuerpflichtige Zuwendung ist in Höhe der Wertdifferenz von 100.000 EUR zu bejahen, unabhängig davon, ob S von einer geringeren Differenz ausgeht.
Rz. 100
Fehlt ein besonderes Näheverhältnis zwischen den Beteiligten und fällt die Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung nur gering aus (z.B. 5–10 %), ist zweifelhaft, ob eine auch nur teilweise unentgeltliche Zuwendung gewollt ist. Diese kann nicht ohne weiteres unterstellt werden.
Rz. 101
Der Zuwendende muss sich der Tatsachen, die die objektive Unentgeltlichkeit ausmachen, bewusst sein. Irrt er sich über eine solche Tatsache (z.B. über die Höhe seiner Unterhaltspflicht) und nimmt er deshalb zu Unrecht an, zu der Leistung verpflichtet zu sein, scheidet eine Schenkung aus, wenn dies von ihm belegt werden kann. Ein Rechtsfolgeirrtum ist dagegen ebenso wenig ausreichend wie die irrtümliche Annahme, zu der Leistung aufgrund einer sittlichen Verpflichtung gezwungen zu sein.