Rz. 152
Hinsichtlich des in der Schweiz belegenen unbeweglichen Vermögens i.S.v. Art. 5 DBA wendet die Bundesrepublik Deutschland bei Erblassern, die im Zeitpunkt ihres Todes über die schweizerische Staatsangehörigkeit verfügten, die Freistellungsmethode an, allerdings mit Progressionsvorbehalt (Art. 10 Abs. 1a) DBA). Aus Schweizer Sicht gilt die Freistellungsmethode für sämtliches nach dem Belegenheitsprinzip besteuertes und in der Bundesrepublik Deutschland belegenes Vermögen i.S.d. Art. 5–7 DBA (unbewegliches Vermögen, Betriebsvermögen, Schiffe und Luftfahrzeuge). Diese Regelung ergibt sich aus Art. 10 Abs. 2 DBA, dessen Satz 2 auch der Schweiz einen Progressionsvorbehalt zugesteht. Die Anwendung der Freistellungsmethode durch die Schweiz ist an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Auch ein Recht zur überdachenden Besteuerung hat sich die Schweiz nicht vorbehalten.
Rz. 153
Soweit bei Bestehen einer unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland bestimmte Vermögensgegenstände, bei denen es sich nicht um unbewegliches Vermögen eines Schweizer Erblassers handelt, besteuert werden, wendet die Bundesrepublik Deutschland die Anrechnungsmethode an. Die Anrechnung ist in diesem Fall gem. Art. 10 Abs. 1b) DBA auf den Betrag beschränkt, der dem auf das in der Schweiz besteuerte Vermögen entfallenden Anteil der deutschen Erbschaftsteuer entspricht. Darüber hinaus bestehen zugunsten der Bundesrepublik Deutschland einige Sonderregelungen, die eine Ausdehnung der deutschen Besteuerungshoheit über die in Deutschland belegenen Vermögensgegenstände hinaus ermöglicht. Es handelt sich um die bereits erwähnte überdachende Besteuerung (Art. 4 Abs. 3 und 4 sowie Art. 8 Abs. 2 DBA).
Rz. 154
Die überdachende Besteuerung kann nur zum Tragen kommen, wenn der Erblasser einen Wohnsitz im abkommensrechtlichen Sinne in der Schweiz hatte, dort also unbeschränkte Steuerpflicht besteht. Vor diesem Hintergrund sind auch und gerade in Fällen der überdachenden Besteuerung Regeln zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erforderlich. Die Art. 4 Abs. 3 und 4 sowie 8 Abs. 2 DBA verweisen jeweils auf Art. 10 Abs. 1 DBA, so dass auch im Rahmen der überdachenden Besteuerung die in der Schweiz erhobenen Erbschaftsteuern auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet werden. Dies gilt für sämtliche Schweizer Erbschaftsteuern auf das weltweite Vermögen, soweit sie nicht Vermögen betreffen, für das Deutschland nach Art. 5–7 DBA das originäre Belegenheits-Besteuerungsrecht zusteht.
Rz. 155
Die Hauptanwendungsfälle der überdachenden Besteuerung stellen sich wie folgt dar:
Innerhalb von fünf Jahren nach der Aufgabe des (letzten) Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland besteht erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 b) ErbStG; danach ggf. weitere fünf Jahre erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 4 AStG (betreffend das erweiterte Inlandsvermögen). Beides sind Fälle der überdachenden Besteuerung. Dasselbe gilt für Fälle, in denen der Erblasser neben seinem abkommensrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz noch eine weitere ständige Wohnstätte i.S.v. Art. 4 Abs. 3 DBA in Deutschland hatte.
Gem. Art. 4 Abs. 4 DBA ist die überdachende Besteuerung aber ausgeschlossen, wenn der Erblasser seinen Wohnsitz in der Schweiz wegen der Aufnahme einer unselbstständigen Tätigkeit oder wegen der Eheschließung mit einem Schweizer Staatsangehörigen begründet hatte. Von einer unselbstständigen Tätigkeit ist nach Art. 4 Abs. 4 S. 2 a) aa) DBA immer auszugehen, wenn der Erblasser an seinem Arbeitgeber über das Arbeitsverhältnis hinaus weder unmittelbar oder mittelbar durch Beteiligung oder in anderer Weise wirtschaftlich interessiert war. Es gilt also der wirtschaftliche Arbeitnehmerbegriff. Wird dem Arbeitnehmer später, also nach seinem Wegzug in die Schweiz, eine Beteiligung an seinem Arbeitgeber eingeräumt, ist dies unschädlich. Bei Führungskräften internationaler Großunternehmen ist aber ggf. eine teleologische Reduktion zu erwägen, da derartige Vergütungsbestandteile üblich sind und dem Zweck der Regelung, Missbrauchsmöglichkeiten auszuschließen, nicht kollidiert.
Die Ausnahme von der überdachenden Besteuerung greift allerdings nur dann ein, wenn der Wohnsitzwechsel in die Schweiz unmittelbar wegen der Aufnahme eines (des ersten) Arbeitsverhältnisses erfolgte; die Begründung eines weiteren Arbeitsverhältnisses (wenn zuvor bereits ein anderes Arbeitsverhältnis zu einem Schweizer Unternehmen bestand) genügt im Zweifel nicht. Andererseits ist es aber nicht erforderlich, dass die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses die einzige Motivation für den Umzug in die Schweiz bildet. Darüber hinaus ist es unschädlich, wenn die Wohnsitznahme in der Schweiz zeitlich nach der Arbeitsaufnahme erfolgt, z.B. nach Ablauf der arbeitsvertraglichen Probezeit.
Rz. 156
Nach Art. 4 Abs. 4 S. 2 a) bb) DBA schließt auch die Wohnsitznahme in der Schweiz wegen der Eheschließung mit einem schweizerischen Staatsangehörige...