Rz. 89
Im Rahmen der Nachfolgeplanung kann der Anteil an einer Personengesellschaft oder einer Kapitalgesellschaft anstelle einer unmittelbaren Übertragung auch mittelbar zugewandt werden. Dies gilt ebenfalls für den Anteil an einer stillen Gesellschaft, insbesondere für die atypisch stille Gesellschaft. Die mittelbare Zuwendung des Gesellschaftsanteils erfolgt offen, wenn dem Bedachten – entsprechend den Grundsätzen der mittelbaren Schenkung – Geldmittel zum rechtsgeschäftlichen Erwerb des Anteils oder im Rahmen der Gründung als Einlage zur Verfügung gestellt werden. Demgegenüber handelt es sich um eine verdeckte mittelbare Zuwendung des Anteils, wenn der Bedachte einen Gesellschaftsanteil erwirbt, ohne dass dem eine Leistung des Bedachten gegenübersteht. Die Wertverschiebungen, die dadurch entstehen, dass der Bedachte einen Anteil erhält, der den Wert seiner Leistung übersteigt und er dadurch übermäßig am Gesellschaftsvermögen beteiligt wird, sind Gegenstand der mittelbaren Anteilszuwendung. Erhöht sich dagegen lediglich reflexartig der Wert eines Gesellschaftsanteils, handelt es sich – mangels Anteilsübertragung – nicht um eine mittelbare Zuwendung.
Beispiel 1
Verdeckte mittelbare Zuwendung eines Anteils an einer Personengesellschaft
Der Vater V gründet mit seinem Sohn S eine Kommanditgesellschaft. Der Sohn leistet als Kommanditist eine Einlage von 10.000 EUR; V bringt sein Einzelunternehmen im Wert von 490.000 EUR in die KG ein. V erhält keine Ausgleichszahlung. S ist mit 40 % und V mit 60 % an der Gesellschaft beteiligt.
Die Beteiligung des V entspricht nicht dem Wert seiner Einlage, sondern liegt deutlich darunter. V erhält keine Ausgleichszahlung für den Minderwert seiner Beteiligung. Die mittelbare Zuwendung liegt in der Werterhöhung, die der Anteil des S erfährt. Erbringt S die Einlage von 10.000 EUR aus seinem eigenen Vermögen, liegt eine verdeckte mittelbare Teilzuwendung vor. Denn S erwirbt den Anteil zu einem Teil (in Höhe der Einlage) selbst. Würde dagegen V dem S auch den Geldbetrag für die Einlage zweckgebunden zur Verfügung stellen, handelte es sich insgesamt um einen mittelbaren Anteilserwerb, der teils offen (betreffend die Einlage) und teils verdeckt (betreffend die Werterhöhung des Anteils) erfolgt.
Umgekehrt kann in der Hingabe von Gesellschaftsanteilen auch die mittelbare Schenkung des Erlöses aus einem späteren Weiterverkauf der Gesellschaftsanteile liegen, wenn der Erwerber im Verhältnis zum Schenker nur über den Verkaufserlös, nicht aber über die Anteile frei verfügen durfte.
Rz. 90
Sind bei Gründung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft die einzubringenden Vermögenswerte (z.B. Grundbesitz) mit Verbindlichkeiten belastet, finden bei der mittelbaren Zuwendung der Gesellschaftsanteile über § 10 Abs. 1 S. 4 ErbStG die neuen Grundsätze einer gemischten Schenkung (siehe Rdn 41) Anwendung. Die nach altem Recht dadurch eintretende anteilige Kürzung der Belastungen konnte bis einschließlich 31.12.2008 durch Gründung einer gewerblich geprägten Personengesellschaft verhindert und der Schuldenabzug in voller Höhe erhalten werden. Seit dem 1.1.2009 ist dies nicht mehr möglich. Auf die zeitliche Abfolge (zunächst Eintragung der KG im Handelsregister und Eintragung im Grundbuch als Grundstückseigentümerin und anschließende Anteilsübertragung auf die Kinder) kommt es demgemäß ebenfalls nicht mehr an. Ebenfalls erfolgt keine anteilige Kürzung der Verbindlichkeiten im Wege einer Verhältnisrechnung mehr (siehe oben Rdn 41).
Rz. 91
Beispiel 2
Verdeckte mittelbare Zuwendung eines Anteils an einer GmbH
Bei Gründung der GmbH erwirbt V einen Geschäftsanteil in Höhe von 60 % an der Gesellschaft, sein Sohn S 40 %. V bringt sein Einzelunternehmen (490.000 EUR) zu Buchwerten ein, ohne dafür einen angemessenen Gesellschaftsanteil oder sonst eine Ausgleichszahlung zu erhalten. Die verdeckte mittelbare Anteilszuwendung liegt in der Erhöhung des Anteilswertes des S. Keine mittelbare Anteilszuwendung kommt dagegen in Betracht, wenn die Einbringung erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Gründung der Gesellschaft erfolgt. Dies führt lediglich zu einer Werterhöhung eines bereits bestehenden Gesellschaftsanteils (zu § 7 Abs. 8 ErbStG siehe auch Rdn 184 ff.).
Rz. 92
Auch über eine Kapitalerhöhung kann eine mittelbare verdeckte Zuwendung vorgenommen werden, nämlich dann, wenn der Erwerber des durch die Kapitalerhöhung neu entstehenden Anteils keinen Ausgleich für die stillen Reserven des Betriebsvermögens der Gesellschaft leisten muss. Der unentgeltliche Übergang der stillen Reserven ist Gegenstand der mittelbaren Schenkung.