Rz. 4
Der Gesetzgeber führte mit dem JStG 2007 v. 13.12.2006 für Erwerbe ab dem 1.1.2007 in § 138 Abs. 1 BewG eine Bewertung auf den Zeitpunkt des Erwerbs ein. Für die Bewertung des Grundvermögens ist dies ohne weiteres möglich, da die zur Bewertung erforderlichen Bodenrichtwerte und aktuellen Mieten vorbehaltlich einer abweichenden landesrechtlichen Regelung im Zwei-Jahres-Turnus (§ 196 Abs. 1 S. 5 BauGB) aktualisiert werden. Der Bewertungsstichtag ist für Zwecke der Erbschaftsteuer der nach §§ 9, 11 ErbStG maßgebliche Besteuerungszeitpunkt. Bei der Grundstücksschenkung ist schon der Zeitpunkt maßgeblich, an dem der Erwerb durch den Schenker nicht mehr verhindert werden kann. Bei Abgabe der Auflassungserklärung und der Eintragungsbewilligung ist daher der Wert für schenkungsteuerliche Zwecke festzustellen. Bei der Grunderwerbsteuer ist auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des steuerbaren Rechtsträgerwechsels abzustellen (§ 23 Abs. 1 GrEStG), wobei die Ausnahmen des § 14 GrEStG (auflösende Bedingung, Genehmigungsvorbehalt) zu beachten sind. Die mit der Einführung der Bedarfswerte einhergehende Vereinfachung des Bewertungsrechts konnte allerdings nicht für alle Fälle sicherstellen, dass der Wert nicht über dem Verkehrswert lag. Daher sieht § 138 Abs. 4 BewG a.F. vor, dass der Steuerpflichtige einen geringeren Wert gegenüber dem Finanzamt nachweisen kann. Mit Inkrafttreten der ErbStRG v. 24.12.2008 ist § 138 Abs. 4 BewG nur noch für Zwecke der Grunderwerbsteuer anzuwenden. Allerdings ist auch für die grunderwerbsteuerbaren Vorgänge nach § 8 Abs. 2 GrEStG die Anwendung des sechsten Abschnittes des BewG mit dem Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 2015 für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 angeordnet, so dass nunmehr § 138 Abs. 4 BewG ohne Anwendungsbereich bleibt. Für Zwecke der Erbschaft- und Schenkung- sowie nunmehr auch der Grunderwerbsteuer bleibt der Nachweis des niedrigeren Wertes für Grundvermögen i.S.d. §§ 179, 182–196 BewG gem. § 198 BewG möglich. Im Gegensatz zu § 138 Abs. 4 BewG, bei dem nach wie vor einheitlich der Wert für die gesamte zu bewertende wirtschaftliche Einheit gilt, ist der Wert für das Grundstück und das oder die aufstehenden Gebäude gesondert zu ermitteln. Für Grundstückserwerbe bis zum 31.12.2006 gilt einheitlich als maßgeblicher Bewertungszeitpunkt der 1.1.1996, so dass die Wertverhältnisse zu diesem Stichtag (Bodenrichtwerte, übliche Miete) und die tatsächlichen Umstände (Bebaubarkeit, Verkehrs-, Wohn- oder Geschäftslage) zum Zeitpunkt des Erwerbes zu berücksichtigen sind (§ 138 Abs. 1 BewG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes v. 10.12.2001).
Nach Aufhebung des § 99 Abs. 2 BewG sind ohne Einschränkung auch Betriebsgrundstücke (§§ 95–97 BewG) nach Maßgabe der §§ 151 Abs. 1 Nr. 1, 157 Abs. 2 und 3 BewG zu bewerten, wobei die gesondert festzustellenden Werte sodann in den Wert des Betriebsvermögens einfließen und dort ggf. einer Steuerverschonung (§§ 13a und 13c ErbStG) unterliegen.
Rz. 5
Das BVerfG hat die nach § 8 Abs. 2 GrEStG vorgesehene Anwendung der Hilfsbemessungsgrundlage (§§ 138 ff. BewG) in Fällen, in denen eine Gegenleistung für den Erwerb nicht feststellbar ist, rückwirkend für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 für nicht anwendbar erklärt. Diese ausgesprochen harte Entscheidung kann wohl auf die bereits zu der im Rahmen der erbschaftsteuerlichen Bedarfsbewertung beanstandeten Wertrelation erhobene Forderung des BVerfG zurückgeführt werden, dass für bewertungsabhängige Besteuerungsanlässe ein einheitliches Wertniveau anzustreben ist. Obgleich der sich hieraus für den Gesetzgeber ergebende Handlungszwang auch für den § 8 Abs. 2 GrEStG deutlicher nicht hätte sein können, blieb es zunächst bei dem überkommenen Hilfswert der §§ 138 ff. BewG. Aus Sicht des BVerfG waren aber die wesentlichen Erwägungen der aao. Entscheidung ohne weiteres auf die grunderwerbsteuerliche Bedarfsbewertung übertragbar, so dass für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 auch für die GrEStG ein einheitliches Bewertungsniveau hätte hergestellt werden müssen.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht führt die Rückwirkung zu erheblichen Problemen, zumal unterschiedliche Sachverhaltskonstellationen/Verfahrensstände zu berücksichtigen sind. Mit Anhängigkeit der Streitfrage im Jahre 2011 wurden sowohl die nach § 8 Abs. 2 GrEStG zu erlassenden Wertfeststellungen als auch die Steuerfestsetzungen, denen Bedarfswerte zugrunde lagen, mit einem Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO versehen. Mit Veröffentlichung des aao. Beschlusses ist der Vorläufigkeitsgrund nach der Nr. 3 streng genommen entfallen und hätte durch eine Vorläufigkeit nach der Nr. 2 (Gesetz ist mit der Verfassung unvereinbar) ersetzt werden können, was jedoch aus Praktikabilitätsgründen unterblieben ist. Da das BVerfG mit nach § 31 BVerfGG für die Verwaltung bindendem Ausspruch die weitere Anwendung des § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. untersagte, die Vornahme der Besteuerung aber für...