Rz. 11
Lag der Erwerb unterhalb der persönlichen Freibeträge und war er offenkundig steuerfrei, wird die Verletzung der Anzeigepflicht nicht sanktioniert. Bei nachfolgenden Erwerben von derselben Person ist aber der bisher nicht angezeigte Vorerwerb anzuzeigen (wegen der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG). Das Unterlassen einer erforderlichen Anzeige ist keine Ordnungswidrigkeit (§ 377 AO). Hat der Steuerpflichtige keine Anzeige abgegeben, besteht seine Anzeigepflicht bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist weiter. Da die Anzeige keine Steuererklärung ist, kann bei verspäteter Anzeige auch kein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Auswirkungen ergeben sich vor allem im Steuerstrafrecht (siehe Rdn 12), bei der Festsetzungsverjährung (siehe Rdn 13) und ggf. bei der Haftung (siehe Rdn 4).
Rz. 12
Verstoßen Beteiligte bewusst gegen die Anzeigepflicht gem. § 30 ErbStG und wird dadurch die Erbschaftsteuer überhaupt nicht oder verspätet festgesetzt, kann ggf. auch eine leichtfertige Steuerverkürzung oder eine Steuerhinterziehung vorliegen. Zwar ist es so, dass grundsätzlich erst eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung letztendlich zu einer falschen bzw. zu keiner Steuerfestsetzung führt. Das Unterlassen der Anzeige kann m.E. dann kausal eine Steuerhinterziehung/Steuerverkürzung sein, wenn dies vorsätzlich oder grob fahrlässig geschieht und dadurch erreicht wird, dass das Finanzamt den Steuerfall nicht aufgreift bzw. (zunächst) nicht aufgreifen kann. In dem Fall steht die Nichtanzeige m.E. einer unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung gleich. Wird die Anzeigepflicht dadurch verletzt, dass zwar eine Anzeige abgegeben wird, diese aber bewusst unvollständig oder unrichtig ist, kann darin eine Steuerhinterziehung/-verkürzung liegen, wenn daraufhin das Finanzamt von einer Veranlagung absieht. Kommt es nach unrichtiger oder unvollständiger Anzeige eines Erwerbs nicht zur Aufforderung und Abgabe einer Steuererklärung, müssen m.E. die erbschaftsteuerlichen Anzeigepflichten sowie die Erklärungen, bestimmte Steuerbefreiungen in Anspruch zu nehmen, im Bereich des Erbschaftsteuerrechts zu den Erklärungen i.S.d. § 153 Abs. 1 AO gezählt werden.
In der Regel kommt es nach der Anzeige zur Aufforderung einer Steuererklärung. Wenn im Veranlagungsverfahren die Unrichtigkeit/Unvollständigkeit aufrechterhalten wird, kommt es m.E. erst mit Abgabe der falschen Steuererklärung zur Hinterziehung/Verkürzung. Auf den Inhalt der Anzeige kommt es dann nicht mehr an. Den Hinterzieher trifft in diesem Fall – mangels nachträglichen Erkennens – keine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO, wohl aber den Gesamtrechtsnachfolger, wenn er die Unrichtigkeit/Unvollständigkeit der Angaben erkennt. Erkennt ein gem. § 153 AO Anzeige- und Berichtigungspflichtiger innerhalb der Festsetzungsfrist die Fehlerhaftigkeit und kommt er seiner Anzeigepflicht nach § 153 AO bewusst und pflichtwidrig nicht nach, kann hinsichtlich der nicht angezeigten und berichtigten Steuer eine Steuerhinterziehung vorliegen. Ähnliches gilt, wenn Dritte, z.B. der Testamentsvollstrecker, eine unrichtige/unvollständige Erbschaftsteuererklärung für die Erben abgeben, d.h. diese trifft dann die Berichtigungspflicht gem. § 153 Abs. 1 AO. Lag ursprünglich eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, entsteht bei den unmittelbar Anzeigepflichtigen faktisch nach § 153 Abs. 1 AO eine Pflicht zur Selbstanzeige i.S.v. § 378 Abs. 3 AO. Nur bei entsprechender Nachentrichtung wird Bußgeldfreiheit gem. § 378 Abs. 3 AO erreicht.
Rz. 13
Liegt im Unterlassen oder im Erstatten einer unrichtigen oder unvollständigen Anzeige gem. § 30 ErbStG eine Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzung, wird die Festsetzungsverjährungsfrist auf 10 bzw. 5 Jahre verlängert (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO). Die Feststellungslast trägt das Finanzamt. Hinterzogene Steuern sind gem. § 235 Abs. 1 S. 1 AO zu verzinsen. Voraussetzung des Zinsanspruchs ist eine vollendete Steuerhinterziehung. Der objektive und der subjektive Tatbestand des § 370 AO müssen erfüllt sein. Eine strafrechtliche Feststellung/Verurteilung ist nicht erforderlich. Der Lauf der Hinterziehungszinsen beginnt grundsätzlich u.a. mit dem Eintritt der Verkürzung (§ 235 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 AO). Für den Eintritt der Steuerverkürzung ist bei der Schenkungsteuer als stichtagsbezogener Steuer der Zeitpunkt maßgebend, zu dem das Finanzamt bei ordnungsgemäßer Anzeige und Abgabe der Steuererklärung die Steuer festgesetzt hätte. Dabei kann der Zeitpunkt für den Beginn des Zinslaufs unter Berücksichtigung der beim zuständigen Finanzamt durchschnittlich erforderlichen Zeit für die Bearbeitung eingegangener Schenkungsteuererklärungen bestimmt werden.