Rz. 69
Bei der Anrechnungsvorschrift des § 21 ErbStG handelt es sich um eine einseitige Vorschrift nach nationalem Recht. Diese ist nach völkerrechtlichen Grundsätzen gegenüber einem Doppelbesteuerungsabkommen subsidiär. Soweit der Anwendungsbereich im jeweiligen Einzelfall reicht, verdrängen daher die Regelungen des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens die Anwendbarkeit von § 21 ErbStG. Sieht ein Doppelbesteuerungsabkommen – im Gegensatz zu § 21 ErbStG – beispielsweise die Freistellungsmethode als Mittel zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung vor, kommen die Regelungen des § 21 ErbStG gar nicht zur Anwendung. Regelt das Doppelbesteuerungsabkommen hingegen die Anwendbarkeit der Anrechnungsmethode, so sind die Regelungen des § 21 Abs. 1–3 ErbStG gem. § 21 Abs. 4 ErbStG auch für die Anrechnung der ausländischen Steuer aus dem DBA-Staat anzuwenden. Dies darf indes nicht zu abkommenswidrigen Ergebnissen, insbesondere nicht dazu führen, dass die Anrechnung über das nach den Vorschriften des DBA geregelte Anrechnungs-Minimum hinaus eingeschränkt wird.
Rz. 70
Deutschland hat auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer nur mit wenigen (aktuell sechs) Staaten Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Eine allgemeine völkerrechtliche Verpflichtung eines jeden Staates, für eine Vermeidung der Doppelbesteuerung Sorge zu tragen, besteht nach herrschender Meinung nicht. Innerhalb der Europäischen Union kann aber, wie verschiedentlich vertreten wird, aus Art. 293 EGV eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung abgeleitet werden. Der EuGH, der zunächst eine unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 293 EGV verneint hatte, vertritt inzwischen den Standpunkt, dass ein Bezug zwischen Erbschaftsteuer und Europarecht unzweifelhaft besteht und die Erbschaftsteuer sich sowohl auf die Niederlassungsfreiheit als auch insb. auf die Kapitalverkehrsfreiheit auswirke. Eine klar formulierte Forderung des EuGH zum Abschluss bilateraler Doppelbesteuerungsabkommen enthält die Entscheidung nicht. Sie stellt jedoch heraus, dass die Folgen der Unterschiede zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht nur durch bilaterale Abkommen gelöst werden könnten. Dennoch hat der EuGH in der Entscheidung Block eine Verpflichtung der EU-Staaten, wirksame Mechanismen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung zu vereinbaren bzw. nach nationalem Recht einzuführen, verneint. Auch eine Abstimmung der nationalen Steuersysteme zur Vermeidung doppelter Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerbelastungen sah er als nicht notwendig an.
Dessen ungeachtet sah der EuGH den im bis Ende 2008 geltenden Erbschaftsteuerrecht vorgesehenen Ansatz ausländischen Grundbesitzes – auch im EU-Raum – mit dem gemeinen Wert (§ 31 BewG) gegenüber der (regelmäßig zu unter dem Verkehrswert liegenden Ergebnissen führenden) Bedarfsbewertung für inländisches Vermögen als europarechtswidrig an. Dasselbe gilt für die bis Ende 2008 vorgesehene Beschränkung der Begünstigungen des damaligen § 13a Abs. 4 Nr. 2 ErbStG 1997 auf inländisches Vermögen; auch hierin sah der EuGH einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 73b Abs. 1 EG-Vertrag bzw. Art. 56 Abs. 1 EG.
Rz. 71
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zurückhaltenden und die EU-Mitgliedstaaten wenig fordernden Rechtsprechung des EuGH hat die EU-Kommission im Dezember 2011 die Initiative ergriffen und unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer vorgeschlagen. Beabsichtigt ist dabei ausdrücklich keine Harmonisierung der Steuerrechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten. Vielmehr wird angeregt, in die nationalen Rechtsordnungen Regelungen aufzunehmen, die – weitgehend durch unilaterale Maßnahmen – eine doppelte Besteuerung in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten verhindern.
So soll z.B. unbewegliches Vermögen grundsätzlich nur in seinem Belegenheitsstaat der Erbschaftsteuer unterworfen werden, im Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen jedoch von der Besteuerung ausgenommen bleiben. Die gleiche Empfehlung gilt für bewegliches Vermögen, das zu einer Betriebsstätte gehört.
Sonstiges bewegliches Vermögen soll prinzipiell ohne Rücksicht auf seine Belegenheit besteuert werden können. Es müsse aber in seinem Belegenheitsstaat von der Besteuerung ausgenommen bleiben, wenn weder der Erblasser noch der Erwerber irgendeine persönliche Beziehung zu diesem Staat hat und in einem anderen Staat – wegen der persönlichen Verbindung des Erblassers bzw. des Erben zu diesem Staat – eine Besteuerung stattfindet.
Im Übrigen soll, soweit das Besteuerungsrecht an die persönliche Verbindung des Erblassers zu diesem Staat anknüpft, der Erbe jedoch wegen seiner persönlichen Verbindung zu einem anderen Staat (auch) dort besteuert wird, ein vorrangiges Besteuerungsrecht des Erblasser-Staates Platz greifen, verbunden mit der Möglichkeit des Erben, die im Erblasser-Staat gezahlte Steuer auf die von ihm im anderen Staa...