Rz. 11
Soweit der die Begünstigung in Anspruch nehmende Erwerber von demselben Erblasser/Schenker innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren mehrere Zuwendungen begünstigten Vermögens erhält, hat für jede dieser Zuwendungen eine erneute Überprüfung stattzufinden. Sämtliche in den jeweiligen Zehnjahreszeitraum fallenden Zuwendungen sind hierzu zusammenzurechnen. Dies kann dazu führen, dass für einen früheren Erwerb (nach dem 30.6.2016) die Voraussetzungen der bislang gewährten Regel- bzw. Optionsverschonung (nachträglich) wegfallen (§ 13a Abs. 1 S. 3 ErbStG).
Rz. 12
Ebenso ist es denkbar, dass durch einen weiteren Erwerb die bereits ursprünglich überschritten Wertgrenze von 26 Mio. EUR noch weiter überschritten wird. Auch in diesem Fall entfällt die bereits in der Vergangenheit gewährte Steuerbefreiung (hier die nach § 13c Abs. 1 ErbStG); die entsprechende Anordnung findet sich in § 13c Abs. 2 S. 4 ErbStG.
Die Steuer (für beide Erwerbe bzw. den Gesamt-Erwerb) ist dann auf der Grundlage der (veränderten) aktuellen Verhältnisse neu zu berechnen, und zwar unter Berücksichtigung des (weiter) abgeschmolzenen Verschonungsabschlags (auf Grundlage der zusammengerechneten Werte). Dieser abgeschmolzene Verschonungsabschlag ist auf sämtliche (zusammenzurechnenden) Erwerbe (einheitlich) anzuwenden. Beim Letzterwerb ist § 14 ErbStG zu berücksichtigen. Die Bewertung richtet sich in jedem Fall stets nach den Verhältnissen im jeweiligen Besteuerungszeitpunkt, insoweit sind nachträgliche Veränderungen also ausgeschlossen.
Rz. 13
Die von den Folgen der Nacherwerbe betroffenen vorangegangenen Steuerbescheide (in denen abgeschmolzene Verschonungsabschläge gewährt wurden) sind nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern.
Die Festsetzungsfrist für (nach dem 30.6.2016 erfolgte) Erwerbe begünstigten Vermögens endet gemäß §§ 13c Abs. 2 S. 5, 13a Abs. 1 S. 4 ErbStG nicht vor dem Ablauf des vierten Jahres, nach dem das zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt von dem letzten Erwerb Kenntnis erlangt hat.
In beiden angesprochenen Fällen, in denen die bislang gewährten Verschonungen nachträglich (rückwirkend) wegfallen, kann anschließend auch für den/die betroffenen früheren Erwerbe der neu berechnete abgeschmolzene Verschonungsabschlag beansprucht werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass kein Antrag auf Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG) gestellt wurde. Sollte ein solcher Antrag für einen früheren Erwerb vorliegen, kann er jedoch ggf. zurückgenommen werden. Denn der Antrag nach § 28a ErbStG ist – anders als der nach § 13c Abs. 1 S. 1 ErbStG – nicht unwiderruflich.
Rz. 14
Beispiel (Fortsetzung)
Angenommen, V aus dem vorigen Beispiel (Rdn 9) verstirbt zwei Jahre nach der dort beschriebenen Schenkung und hinterlässt S weiteres begünstigtes Vermögen mit einem gemeinen Wert von 7,5 Mio. EUR.
Lösung
Die Werte von Schenkung und Erbschaft sind zusammenzurechnen. Somit ergibt sich insgesamt ein Wert von 39,8 Mio. EUR, auf dessen Grundlage anschließend die Abschmelzung des Verschonungsabschlags durchzuführen ist:
Rechenschema |
Regelverschonung |
Vollverschonung |
Wert des Erwerbs |
|
39.800.000 |
EUR |
|
39.800.000 |
EUR |
./. 26 Mio. EUR |
./. |
26.000.000 |
EUR |
./. |
26.000.000 |
EUR |
Übersteigender Wert |
13.800.000 |
EUR |
|
13.800.000 |
EUR |
÷ 750.000 |
÷ |
750.000 |
|
÷ |
750.000 |
|
= Faktor |
|
= |
18,4 |
|
= |
18,4 |
Abrundung |
|
|
18 |
|
|
18 |
= Abschmelzung |
|
= |
1 % |
|
= |
1 % |
Regulärer Verschonungsabschlag |
|
|
85 % |
|
|
100 % |
./. Abschmelzung |
|
./. |
18 % |
|
./. |
18 % |
Verbleibender Verschonungsabschlag |
|
|
67 % |
|
|
82 % |
Dieser neu ermittelte Verschonungsabschlag ist (rückwirkend) auch auf die bereits besteuerte Schenkung anzuwenden, der entsprechende Steuerbescheid ist zu ändern.
Rz. 15
Wie in Fällen vorzugehen ist, in denen durch die Hinzurechnung des jüngsten Erwerbs die Schwelle von 90 Mio. EUR überschritten wird, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz nicht. Auch die ErbStR 2019 schweigen hierzu. Logischerweise muss aber in solchen Fällen der Verschonungsabschlag (rückwirkend) für sämtliche innerhalb des relevanten Zehnjahreszeitraums liegende Zuwendungen entfallen. Konsequenterweise müsste dann auch insoweit ein Antrag auf Durchführung der Verschonungsbedarfsprüfung zulässig sein. Dies ist allerdings zweifelhaft, da § 13c Abs. 2 S. 6 ErbStG ausdrücklich klarstellt, dass ein Antrag nach § 13c Abs. 1 ErbStG (Abschmelzung) unwiderruflich ist (und somit einen Antrag auf Verschonungsbedarfsprüfung ausschließt, § 28a Abs. 8 ErbStG). Diese Klippe ließe sich allerdings durch die Annahme umschiffen, dass ein in einem früheren Steuerfestsetzungsverfahren gestellter Antrag durch die später erfolgte weitere Zuwendung (automatisch) seine Gültigkeit verlöre. Eine solche Unterstellung wäre jedenfalls dann sachgerecht, wenn es infolge der Zusammenrechnung zu einem Wegfall der bisherigen Verschonungsvoraussetzungen für die frühere Zuwendung kommt.
Ob die Finanzverwaltung dieser Erwägung folgen würde, ist allerdings zweifelhaft, zumal sie für Fälle von Verstößen gege...