Rz. 22
Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter des künftigen Erben, falls dieser noch unbekannt ist oder die Annahme der Erbschaft noch ungewiss ist. Die Erbschaftsteuerbescheide können an den Nachlasspfleger als gesetzlichen Vertreter auch für die unbekannten Erben gerichtet werden, ohne dass dies zur Nichtigkeit des Bescheides wegen fehlender Bestimmtheit führte. Die Bekanntgabe an den Nachlasspfleger ist selbst in den Fällen noch möglich, in denen die Erben bekannt sind, aber das Nachlassgericht die Pflegschaft formell noch nicht aufgehoben hat. Hiervon ist die Erbschaftsteuerstelle durch das Nachlassgericht zu unterrichten (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStDV). Erst mit der Mitteilung über die Aufhebung der Nachlasspflegschaft gegenüber der Erbschaftsteuerstelle endet die Verpflichtung zur Bekanntgabe des Bescheides an den Nachlasspfleger und damit dessen Haftung. Obgleich die vorherige Aufforderung des Nachlasspflegers zur Abgabe einer Steuererklärung nicht ausdrücklich als Voraussetzung für die Bekanntgabe aufgeführt ist, wird in der Regel der Verzicht auf die Aufforderung zur Erklärungsabgabe zugunsten einer Schätzung der Steuer kurze Zeit nach dem Erbfall ausscheiden, da wegen des zu erwartenden Einspruches ohnehin Gelegenheit zur Abgabe einer Erklärung gegeben wird. Gibt der Nachlasspfleger trotz Aufforderung zur Abgabe der Erklärung diese nicht ab und steht der Erbe zwischenzeitlich z.B. durch gerichtliche Bestätigung des Testaments fest, so kann die Erbschaftsteuerstelle den Bescheid anstelle des Nachlasspflegers auch an den Erben bekannt geben. Der Ablauf der Verjährung wird hierdurch gehemmt. Ohne für die Ermittlung der Zahl der Erben und des jeweiligen Verwandtschaftsverhältnisses zum Erblasser hinreichend Zeit zu gewähren, ist dies wegen des Überschreitens des Schätzungsermessens der Erbschaftsteuerstelle unzulässig. Welcher Zeitraum hierzu angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Beispielsweise sind Verzögerungen bei der Bestellung des Nachlasspflegers in die Beurteilung mit einzubeziehen. In der Regel ist ein Zeitraum von einem Jahr ab dem Erbfall für eine Erbenermittlung, die keine besonderen Schwierigkeiten aufweist, angemessen. Bei besonderen Schwierigkeiten bei der Erbenermittlung, wie z.B. genealogische Recherchen, fehlende Anhaltspunkte nach Auswanderung oder Krieg, kann allerdings eine Zeitspanne von sechs Jahren berechtigt sein, nach deren Ablauf die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen sind. Verlangte man indes, dass eine Bekanntgabe erst nach Ermittlung auch des letzten Erben erfolgen könne, wäre der Anwendungsbereich des Absatzes 2 auf null reduziert.
Rz. 23
Im Bescheid ist der Hinweis auf die Eigenschaft des Nachlasspflegers aufzunehmen, wohingegen die namentliche Benennung des oder der Erben als Inhaltsadressaten naturgemäß nicht erfolgen kann. Da der Steuerfall vor Ermittlung der Erben noch nicht abschließend geprüft werden kann, kommt wohl die Aufnahme eines Vorbehaltes der Nachprüfung in den Steuerbescheid nicht in Betracht. Da aber ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind, sollte die Steuerfestsetzung vorläufig gem. § 165 Abs. 1 S. 1 AO ergehen. Sind nach Ermittlung der Erben die Voraussetzungen für die endgültige Steuerfestsetzung vorhanden, so kann trotz Eintritts der regulären Festsetzungsverjährung der Steuerbescheid noch geändert werden, da § 171 Abs. 8 AO den Ablauf der Verjährung bis zum Ablauf eines Jahres nach Ermittlung der Erben hemmt. Die Steuerfestsetzung kann damit im Jahr nach Ermittlung der Erben noch geändert werden, wobei die Abgabe einer geänderten Steuererklärung wegen § 171 Abs. 3 AO ausreichend ist und der Erlass eines geänderten Steuerbescheides damit weiter möglich bleibt. Ist eine vorläufige Festsetzung unterblieben, können neue Erkenntnisse von Erbenermittlern insoweit nach § 173 AO berücksichtigt werden, als dass die nachträglich bekannt gewordenen Umstände abweichend geschätzt wurden. Hatte die Erbschaftsteuer zu den Erkenntnissen bei Schätzung keine Vorstellung (z.B. nur Höhe der Steuer wurde geschätzt), wird eine Änderung nach § 173 AO ausscheiden. Als gesetzlicher Vertreter ist der Nachlasspfleger im Gegensatz zum Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter berechtigt, Einspruch einzulegen. Insoweit nimmt er hierzu die Beschwer des unbekannten Erben in Anspruch, der als Rechtsbehelfsführer und ggf. als Kläger den Rechtsstreit führt.