Rz. 14
Ein eine abweichende Bewertung rechtfertigender besonderer Umstand ist in § 12 Abs. 2 BewG ausdrücklich normiert: die Uneinbringlichkeit einer Forderung. Von einer uneinbringlichen Forderung ist auszugehen, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist oder wenn eine grundpfandrechtlich gesicherte Forderung im Rahmen der Zwangsversteigerung ausgefallen ist. Auch verjährte Forderungen können als uneinbringlich anzusehen sein. Grundsätzlich ist die Frage aufgrund sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Maßgebliches Kriterium sind dabei in erster Linie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des jeweiligen Schuldners.
Rz. 15
Uneinbringliche Forderungen sind beim Gläubiger gem. § 12 Abs. 2 BewG nicht anzusetzen. Eine entsprechende ausdrückliche Regelung für die Behandlung beim Schuldner existiert nicht. Aus diesem Grunde kann auf Schuldnerseite stets der volle Nennwert der Verbindlichkeit – unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Schuldners – angesetzt werden, soweit nicht der Gläubiger auf die entsprechende Forderung verzichtet hat.
Wurde im Zusammenhang mit einem Forderungsverzicht eine sog. Besserungsabrede getroffen und wird die verzichtsgegenständliche Forderung anschließend verschenkt bzw. vererbt, ist sie nach Auffassung des BFH zunächst nicht anzusetzen. Gemäß § 2 Abs. 1 ErbStG in Verbindung mit § 4 BewG habe eine Berücksichtigung erst mit Eintritt des Besserungsfalls zu erfolgen. Selbst wenn mit dem Eintritt des Besserungsfalls gerechnet werden könnte, komme eine Abzinsung des Nennwerts nach § 12 Abs. 3 BewG nicht in Betracht, wenn der Zeitpunkt der Fälligkeit (Eintritt des Besserungsfalls) nicht bereits konkret feststehe.
Rz. 16
Eine vom Nennbetrag abweichende Bewertung ist auch bei sog. zweifelhaften Forderungen unter Umständen gerechtfertigt, allerdings nicht nach § 12 Abs. 2 BewG, sondern durch Berücksichtigung besonderer Umstände i.S.v. § 12 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BewG.
Rz. 17
Eine zweifelhafte Forderung liegt vor, wenn ihre vollständige Einbringlichkeit nicht gesichert erscheint. Dies hängt natürlich stets von den Umständen des Einzelfalles ab, wird sich aber zumeist in erster Linie an den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Schuldners orientieren. Allein der Umstand, dass der Schuldner seinen laufenden Zinsverpflichtungen nicht nachkommt, führt nicht zwingend zur Zweifelhaftigkeit der Forderung insgesamt. Denn der Rückschluss auf einen Ausfall der gesamten Kapitalforderung ist hierbei nicht zwingend. Andererseits führt auch eine bilanzielle Überschuldung des Verpflichteten (selbst bei fehlenden stillen Reserven) nicht immer zu einer Zweifelhaftigkeit der gegen ihn gerichteten Forderung. Im Rahmen der Einzelfallbetrachtung sind nämlich ebenso die Bonität des Schuldners, sein Verhalten gegenüber anderen Gläubigern, das Verhalten anderer Gläubiger ihm gegenüber, eine wahrscheinliche Fortführung des Unternehmens bzw. dessen Liquidation etc. zu berücksichtigen. Existieren mit dem konkreten Schuldner bereits entsprechende Erfahrungen aus der Vergangenheit, können auch diese im Rahmen einer Zukunftsprognose ggf. Berücksichtigung finden. Eine Rolle spielen auch etwaige persönliche Bindungen zwischen Gläubiger und Schuldner, etwa ein Verwandtschaftsverhältnis oder ein sonstiges Näheverhältnis. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 BewG ist im Rahmen der Prüfung nach § 12 BewG nicht anzuwenden, da Forderungen notwendigerweise personenbezogene Rechte zwischen Gläubiger und Schuldner darstellen. Vor diesem Hintergrund kann ein niedrigerer Wertansatz insb. dann gerechtfertigt sein, wenn die Forderung gegen einen (vermutlich) unseriösen Geschäftspartner gerichtet ist, der bspw. im Rahmen eines sogenannten Schneeballsystems (bewusst) eine Kapitalunterdeckung herbeigeführt hat.
Rz. 18
Ist über die zu bewertende Forderung ein Rechtsstreit anhängig, führt auch dieser Umstand allein noch nicht zur Zweifelhaftigkeit. Vielmehr sind zunächst die Prozessaussichten und die Verteilung der Risiken zu beurteilen. Soweit noch nicht rechtskräftige Entscheidungen von Zivilgerichten vorliegen, sind diese zu berücksichtigen; ein Ansatz unter dem Nennbetrag kommt jedenfalls nur dann in Betracht, wenn konkrete Anzeichen dafür vorhanden sind, dass die Forderung nicht vollständig einbringlich sein wird; bloße Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Rechtslage sind – für sich allein genommen – kein Grund, mit dem Abschläge gerechtfertigt werden könnten. Demgegenüber ist davon auszugehen, dass in solchen Fällen, in denen eine Schätzung nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit des Bestehens der Forderung ohne größere Schwierigkeiten möglich ist, diese Schätzung als Alternative zu einer vorläufigen Veranlagung durchaus in Betracht kommt. Dieselben Grundsätze gelten auch bei verjährten Forderungen, die zwar einredebehaftet, jedoch – zivilrechtlich – nicht erloschen sind. Die Bewertung richtet sich auch hier nach dem Grad der Zweifelhaftigkeit, mithin nach der Wahrscheinlich...