Rz. 26
Bei einer Mehrzahl von Zuwendungsgegenständen ist – u.a. mit Hinblick auf § 14 ErbStG oder die Grundsätze einer gemischten Schenkung (siehe Rdn 39 ff.) – abzugrenzen, ob es sich um eine einheitliche Zuwendung oder mehrere selbstständige Zuwendungen handelt. Dies richtet sich nach dem Willen der Parteien und ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Für eine einheitliche Zuwendung muss bereits bei der ersten Schenkung ein einheitlicher Zuwendungswille vorliegen. Nicht erforderlich ist, dass alle Schenkungsverträge in einer Urkunde erfolgen.
Rz. 27
Demgegenüber handelt es sich bei sog. Kettenschenkungen um mehrere, zeitlich aufeinander folgende Zuwendungen des gleichen Zuwendungsgegenstandes und nicht um eine einheitliche Schenkung. Die Kettenschenkung dient dabei regelmäßig der Ausnutzung günstigerer Steuerklassen und persönlicher Freibeträge, kann aber auch zu Nachteilen führen, wie z.B. umfangreicheren Rückgriffsansprüchen der Sozialhilfeträger und Erhöhung der Pflichtteile.
Beispiel
Der Vater V will seiner Tochter T und ihrem Ehemann E eine Immobilie (Steuerwert 400.000 EUR) jeweils zur Hälfte schenken. Würde er die Miteigentumsanteile an der Immobilie zu je 50 % unmittelbar auf die T und auf E übertragen, wäre nur die Schenkung an die T (Steuerwert 200.000 EUR) aufgrund der persönlichen Freibeträge (§ 16 ErbStG) steuerfrei. E als Schwiegersohn des V müsste die Zuwendung (200.000 EUR – 20.000 EUR, § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG) mit der ungünstigen Steuerklasse II (Steuersatz 20 %) versteuern. Bei einer Kettenschenkung schenkt demgegenüber V zunächst die gesamte Immobilie seiner Tochter T. Da der Steuerwert innerhalb der persönlichen Freibeträge liegt, kommt es – da im Beispiel keine Vorschenkungen gegeben sind – nicht zu einer Steuerbelastung. Wendet nun die T den hälftigen Miteigentumsanteil dem E zu, fällt auch bei dieser Zuwendung (200.000 EUR) keine Schenkungsteuer an, da die persönlichen Freibeträge zwischen Ehegatten (500.000 EUR, § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) nicht ausgeschöpft werden. Erfolgt die Übertragung daher in zwei selbstständigen Schenkungen, fällt insgesamt keine Schenkungsteuer an.
Rz. 28
Vergleichbar günstige Gestaltungen lassen sich
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bei Schenkungen über den Ehegatten an ein Kind, an den Schwager oder an den Neffen des Ehegatten sowie |
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bei Schenkungen über ein Kind an ein Enkelkind erreichen. |
Dem als Zwischenerwerber bedachten Ehegatten kann u.U. durch einen lebzeitigen Zugewinnausgleich über die persönlichen Freibeträge hinaus zusätzliches schenkungsteuerfreies Vermögen verschafft werden, das er zur Weiterübertragung nutzen kann (zum lebzeitigen Zugewinnausgleich siehe § 5 ErbStG Rdn 38 ff.).
Rz. 29
Die Finanzverwaltung ist versucht, bei derart hintereinander geschalteten Schenkungen einen Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) anzunehmen. Denn nach der Zielsetzung der Parteien ist von Beginn an die Zuwendung – des im Beispielsfall hälftigen Miteigentumsanteils – an den zuletzt Bedachten beabsichtigt. Es müssen daher bei derartigen Gestaltungen die Voraussetzungen des BFH für eine Kettenschenkung eingehalten werden, damit der selbstständige Charakter der Schenkungen Bestand hat und nicht eine einheitliche Schenkung unter Auflage zu bejahen ist.
Rz. 30
Mittlerweile erkennt die Rechtsprechung eine Kettenschenkung dem Grunde nach an und unterstellt nicht stets einen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO. Eine Kettenschenkung wird erst dann versagt, wenn der zwischenzeitlich begünstigten Person kein eigener Entscheidungsspielraum und keine Dispositionsbefugnis über den Schenkungsgegenstand zukommen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Zwischenerwerber verpflichtet ist, den Zuwendungsgegenstand unmittelbar im Anschluss an den Erhalt an den Letztbedachten weiter zu übertragen. Es handelt sich dann um eine einheitliche sog. Schenkung mit Weitergabeverpflichtung (dazu siehe Rdn 112) und nicht um zwei selbstständige aufeinander folgende Schenkungen. Eine Schenkung mit Weitergabeverpflichtung ist auch gegeben, wenn für die Zwischenperson eine Weitergabeverpflichtung besteht, der Zeitpunkt der Weiterübertragung aber unbestimmt ist. Denn der Zwischenerwerber kann sich der Weitergabeverpflichtung nicht entziehen, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie tatsächlich durchgeführt wird.
Rz. 31
Positive Voraussetzung einer Kettenschenkung ist daher, dass für den Zwischenerwerber ein Entscheidungsspielraum und eine Dispositionsbefugnis zu bejahen ist. Hier kommt es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalles an. Keine Dispositionsbefugnis und damit keine Entscheidungsfreiheit liegt vor, wenn der Zwischenerwerber – rechtlich durchsetzbar – verpflichtet ist, den Zuwendungsgegenstand sogleich in vollem Umfang weiterzugeben. Erfolgen bei einer Grundstücksschenkung beide Schenkungen in einer notariellen Urkunde bei gleichzeitiger Auflassung an den Zwischenerwerber und den zuletzt Bedachten, genügt es für die Annahme einer Kettenschenkung nicht, wenn die zeitlich ...