Rz. 24
Für die Fragen, auf welchen Zeitpunkt hinsichtlich der Prüfung der Inländereigenschaft abzustellen ist, enthält § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 ErbStG unterschiedliche Regelungen, je nachdem, ob Erbfälle oder Schenkungen betroffen sind und/oder ob für die Feststellung der unbeschränkten Steuerpflicht auf den Erblasser/Schenker oder auf den Erwerber abzustellen ist.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Erwerbe von Todes wegen
Rz. 25
Richtet sich beim Erwerb von Todes wegen die unbeschränkte Steuerpflicht nach der Inländereigenschaft des Erblassers, ist allein auf den Zeitpunkt seines Todes abzustellen. Dies gilt auch bei Eingreifen aufschiebender Bedingungen, wenn also die Steuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erst mit dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung entsteht, oder auch dann, wenn nach ausländischem Erbrecht die Erbschaftsannahme eine konstitutive Voraussetzung des erbrechtlichen Erwerbs ist. Im letztgenannten Fall entsteht die deutsche Erbschaftsteuer ohnehin unmittelbar mit dem Tod des Erblassers. Danach vorzunehmende Gestaltungsmaßnahmen scheiden also aus.
Ist der Erblasser kein Inländer, richtet sich die unbeschränkte Steuerpflicht nach der Inländereigenschaft des Erwerbers, und zwar zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG). Bei aufschiebend bedingten Erwerben von Steuerausländern besteht also ggf. die Möglichkeit, den Bedingungseintritt solange aufzuschieben, bis die Inländereigenschaft des Erwerbers i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 ErbStG nicht mehr besteht. Dies setzt allerdings voraus, dass neben dem Bedingungseintritt auch der Erwerbszeitpunkt entsprechend hinausgeschoben wird. In diesem Fall unterliegt der Erwerb jedenfalls nicht mehr der unbeschränkten Steuerpflicht. Umgekehrt kann aber die Begründung eines inländischen Wohnsitzes des Erwerbers nach dem Erbfall (aber vor Entstehung der Steuer!) die unbeschränkte Steuerpflicht erst herbeiführen.
Rz. 26
Ähnliche Gestaltungsmöglichkeiten wie bei aufschiebenden Bedingungen bestehen auch bei der Pflichtteilsgeltendmachung sowie bei der Ausschlagung gegen Abfindung. In beiden Fällen entsteht die Steuer nicht unmittelbar mit dem Erbfall, sondern erst zu einem entsprechend späteren Zeitpunkt. In Fällen der Vor- und Nacherbschaft ist für die Frage der unbeschränkten Steuerpflicht beim Nacherbfall nach (noch) herrschender – m.E. aber nicht zutreffender – Meinung stets vorrangig auf die Inländereigenschaft des Vorerben abzustellen. Dies gilt auch dann, wenn der Nacherbe beantragt, dass der Besteuerung sein Verhältnis zum zivilrechtlichen Erblasser zugrunde gelegt werden soll, § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG.
2. Schenkungen unter Lebenden
Rz. 27
Bei Schenkungen unter Lebenden ist für die Frage der unbeschränkten Steuerpflicht stets auf den Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung abzustellen, unabhängig davon, ob die Steuerpflicht vom Schenker oder vom Beschenkten abgeleitet wird. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entsteht im Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung auch die Erbschaftsteuer.