Gerhard Sievert, Ulrich Gohlisch
Rz. 3
Durch den Verweis auf die §§ 179 und 182 ff. BewG wird zum Ausdruck gebracht, dass § 177 BewG keine Bewertung des jeweiligen Grundstücks mit seinem individuellen Verkehrswert vorschreibt. Vielmehr folgt aus dem Verweis auf die vorgenannten Paragrafen, dass die im Gesetz vorgeschriebenen typisierenden Bewertungen (kraft gesetzlicher Anordnung) den gemeinen Wert des jeweiligen Grundstücks ergeben. Der Ansatz des individuellen gemeinen Werts (als steuerlicher Grundbesitzwert) ist nur im Rahmen der sog. Öffnungsklausel nach § 198 BewG möglich.
Rz. 4
Schulden und Lasten auf Grundstücken sind nicht in die wirtschaftliche Einheit des Grundstücks (§ 176 Abs. 1 Nr. 1 BewG i.V.m. § 2 BewG) einzubeziehen. Sie führen aber sowohl bei Erwerben von Todes wegen als auch bei gemischten Schenkungen oder Schenkungen unter Auflagen zu einer geringeren Bereicherung des Erwerbers. Während sie bei Erwerben von Todes wegen als Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert vom Vermögensanfall nach Steuerwerten abgezogen werden (siehe auch R E 10.1 Abs. 1 ErbStR 2019), mindern sie im Schenkungsfall mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert direkt durch Abzug vom gemeinen Werts des Grundstücks (in Form des Grundbesitzwertes) die Bereicherung (siehe R E 7.4 Abs. 1 ErbStR 2019). Das gilt allerdings nur insoweit, als sie in Verbindung mit Wirtschaftsgütern stehen, die auch der Besteuerung unterworfen sind. Liegt also eine (partielle) Steuerbefreiung für das im Erwerb befindliche Grundstück vor, z.B. wegen der Übertragung eines Familienheims (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG) oder aufgrund des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen von § 13d Abs. 3 ErbStG, so ist für den steuerbefreiten Teil des Grundstücks der Abzug von Schulden und Lasten zu versagen (§ 10 Abs. 6 ErbStG). Hat sich bereits auf der Bewertungsebene ein Nutzungs- oder Duldungsrecht ausgewirkt, z.B. durch Nießbrauch, Wohn- oder Wegerecht, ist ein Abzug bei der Erbschaft- respektive Schenkungsteuer ausgeschlossen, um eine doppelte Berücksichtigung solcher Nutzungsrechte bzw. Belastungen auszuschließen. Problematisiert werden muss in diesem Zusammenhang die Anwendung des § 198 BewG. Setzt der Steuerpflichtige nicht den gemeinen Wert eines Grundstücks an, der durch Anwendung eines der typisierenden Verfahren (Vergleichswert-, Ertragswert-, Sachwertverfahren gemäß § 182 Abs. 1 BewG) ermittelt worden ist, sondern macht er von seiner in § 198 BewG manifestierten Möglichkeit Gebrauch, den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts für den Ansatz des Grundstücks durch ein Gutachten zu führen, können sämtliche wertbeeinflussende Umstände (also auch die o.g. Rechte und Belastungen) bei der Ermittlung des gemeinen Werts geltend gemacht werden. In diesem Fall ist das für die Erbschaft- oder Schenkungsteuerveranlagung zuständige Finanzamt zu unterrichten, dass die Belastung im Rahmen der Feststellung des Grundbesitzwerts berücksichtigt wurde.
Ansprüche und Verpflichtungen auf Lieferung von Grundstücken können – wegen der gesetzlich fingierten Identität von Grundstückswert und Forderungswert – m.E. wieder mit dem Steuerwert des Grundstücks angesetzt bzw. abgezogen werden.
Rz. 5
Die Bewertungsvorschriften (§§ 179, 182 ff. BewG) sehen schematische Bewertungen vor, die zwar aus den Regeln der Verkehrswertbewertung abgeleitet worden sind, die aber nicht zum individuellen Verkehrswert führen. Der Ansatz des individuellen Verkehrswerts ist nur gem. § 198 BewG möglich, nämlich dann, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der individuelle Verkehrswert unterhalb des steuerlichen gemeinen Werts (ermittelt nach §§ 179, 182 ff. BewG) liegt. Das Finanzamt kann von sich aus keinen höheren individuellen gemeinen Wert des Grundstücks als den bewertungsrechtlichen Wert ansetzen. Damit ist der Rahmen der erbschaftsteuerlichen Bewertung mit dem gemeinen Wert gesteckt. Obergrenze ist der individuelle Verkehrswert, Untergrenze der nach dem Bewertungsgesetz niedrigste mögliche gemeine Wert des Grundstücks.
Rz. 6
Eine Auf- bzw. Abrundung auf volle Euro-Beträge in einer für den Steuerpflichtigen günstigen Weise ist vorzunehmen, wenn sich bei der Ermittlung des Grundbesitzwertes Euro-Beträge mit Nachkommastellen ergeben.