1. Grundsätzliches
Rz. 14
Ein Verschonungsbedarf besteht nach § 28a Abs. 1 S. 1 ErbStG, soweit der Erwerber nachweist, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die auf das prinzipiell begünstigte Vermögen entfallende Steuer aus seinem "verfügbaren Vermögen" zu begleichen.
Der Begriff des verfügbaren Vermögens ist insoweit irreführend, als er eine Bezugnahme auf die reale finanzielle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen suggeriert. Diese findet jedoch gar nicht statt. Ob und in welchem Umfang tatsächliche Verfügungen möglich sind, spielt für den gesetzlich unterstellten Verschonungsbedarf keine Rolle. Das verfügbare Vermögen im Sinne des Gesetzes ist also eine rein theoretische Kategorie.
Rz. 15
Als verfügbares Vermögen in diesem Sinne definiert § 28a Abs. 2 ErbStG 50 % der Summe der gemeinen Werte des im Rahmen der zu beurteilenden Zuwendung erworbenen nicht begünstigten Vermögens sowie des dem Erwerber im Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG) bereits gehörenden Vermögens (soweit es sich hierbei nicht um Vermögen i.S.v. § 13b Abs. 2 ErbStG handelt).
Das verfügbare Vermögen setzt sich also stets aus zwei Komponenten zusammen: zum einen aus dem im Eigentum des Steuerpflichtigen bereits vor der zu beurteilenden Zuwendung vorhandenen Vermögen und zum anderen aus dem im Rahmen der zu beurteilenden Zuwendung erworbenen Vermögen. In beiden Fällen ist die jeweilige Zusammensetzung dieses Vermögens qualitativ zu analysieren. Begünstigtes Produktivvermögen i.S.v. § 13b Abs. 2 ErbStG ist auszuscheiden; es gehört unter keinem Gesichtspunkt zum verfügbaren Vermögen. Die übrigen Vermögensteile – also (nicht unschädliches) Verwaltungsvermögen, junges Verwaltungsvermögen und junge Finanzmittel – gehen demgegenüber in das verfügbare Vermögen ein; ihr Wert wird in Höhe von 50 % als "verfügbar" i.S.v. § 28a ErbStG angesehen.
Rz. 16
Dabei ist auch zu beachten, dass etwa mitübertragenes schädliches Verwaltungsvermögen, das bei der Bestimmung des begünstigten Vermögens nach § 13b Abs. 2 ErbStG auszuscheiden ist, ebenfalls in das verfügbare Vermögen einfließt. Gleiches gilt auch für entsprechende Vermögensteile, die im Zeitpunkt der Steuerentstehung bereits im Vermögen des Erwerbers vorhanden sind bzw. waren.
2. Qualitative Einordnung des Vermögens
Rz. 17
Die Frage, welche Vermögensteile (mit 50 % ihres Wertes) in die Bestimmung des verfügbaren Vermögens einfließen, knüpft also an qualitative Merkmale der jeweiligen Vermögensgegenstände an. Hinsichtlich des im Rahmen des jeweils zu beurteilenden Vermögensübergangs auf den Erwerber übergegangenen Vermögens hat diese qualitative Einordnung bereits im Festsetzungsverfahren (ggf. auch durch gesonderte Feststellungen) zu erfolgen; Gleiches gilt auch für die Bewertung. Auf die entsprechenden Feststellungen (§ 12 ErbStG i.V.m. §§ 151 ff. BewG bzw. § 13b Abs. 10 ErbStG) kann auch bei der Beurteilung des Erlassanspruchs nach § 28a ErbStG zurückgegriffen werden.
Im Hinblick auf das bereits in der Hand des Steuerpflichtigen vorhandene Vermögen ist dies jedoch nicht möglich, so dass insoweit eine gesonderte Analyse und Bewertung stattzufinden hat. Diese hat im Zweifel durch das für die Erhebung der Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständige Finanzamt selbst zu erfolgen; es sollte jedoch auch möglich sein, hierüber durch das jeweilige Lagefinanzamt gesonderte Feststellungen treffen zu lassen.
Rz. 18
Stichtag sowohl für die qualitative Einordnung als auch für die Bewertung des Vermögens ist der Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG). Im Hinblick auf das Eigenvermögen des Erwerbers hat die Beurteilung der Verhältnisse an diesem Stichtag so zu erfolgen, als ob das in Rede stehende Vermögen zu diesem Zeitpunkt (im Rahmen eines steuerpflichtigen Erwerbs) übergegangen wäre. Dies gilt auch für Vermögen, das der Erwerber zu einem früheren Zeitpunkt tatsächlich im Zuge eines steuerpflichtigen Erwerbs erworben hat, also insbesondere für Vermögenserwerbe vor dem 1.7.2016.
3. Abgrenzung beim (potenziell) begünstigungsfähigen Vermögen
Rz. 19
Insoweit kann sich allerdings das Problem ergeben, dass die Abgrenzung zwischen (potenziell) verfügbarem und nicht verfügbarem, also begünstigtem Vermögen nur schwer vorzunehmen ist. Denn die hierzu – beim begünstigungsfähigen Vermögen – eigentlich erforderlichen Einzelfeststellungen zu Gegenständen des (jungen) Verwaltungsvermögens und zu (jungen) Finanzmitteln waren in der Zeit vor dem ErbStG 2016 nicht erforderlich und wurden daher auch nicht getroffen.
Dessen ...