Rz. 37
Maßgeblich für die Bewertung sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erwerbes. In Schenkungsfällen ist dies der Zeitpunkt, an dem die Schenkung ausgeführt wird, d.h. dem Beschenkten die Verfügungsgewalt über den Gegenstand verschafft wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Für die Erbschaft- und die Grunderwerbsteuer ist der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer entscheidend (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 11 ErbStG). Dies ist der Todestag bzw. der Tag, an dem die notarielle Übereignung der Grundstücksübertragung beurkundet wird, wobei in Ausnahmefällen anderes gilt (vgl. § 14 GrEStG). Bei der Besteuerung des Pflichtteiles, § 2303 BGB, ist auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruches abzustellen, da in diesem Fall nicht bereits das Ableben des Erblassers zum Erwerb führt, sondern die Geltendmachung des Anspruches hinzutreten muss (§ 9 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG). Bei der Erfüllung des Vermächtnisses liegt der Fall anders, da hier der Erwerb unmittelbar auf eine Verfügung des Erblassers zurückzuführen ist.
Vom Bewertungsstichtag ist abhängig, welche Fassung des zugrundeliegenden Rechts anwendbar ist und ob ggf. die Anwendung anderer rechtlicher Regelungen beantragt werden kann (vgl. Art. 3 ErbStRG, wonach für Erwerbe zwischen dem 1.1.2007 und dem 31.12.2008 die Anwendung des neuen Rechts mit Ausnahme der persönlichen Freibeträge des § 16 ErbStG beantragt werden kann). Für die Einordnung des Feststellungsgegenstandes in den Katalog des § 151 Abs. 1 BewG ist der Bewertungsstichtag ebenfalls von Bedeutung. Überdies sind der Beginn und das Ende der Feststellungsverjährung vom Bewertungsstichtag abhängig, wobei in entsprechender Anwendung hier § 170 Abs. 5 AO zu beachten ist. Zum Anlauf der Frist ist in der Regel die Kenntnis des Erwerbers bzw. des Finanzamtes (nach Anzeige, vgl. § 30 ErbStG) oder in Schenkungsfällen das Versterben des Schenkers erforderlich. Sind nach § 14 ErbStG frühere Erwerbe, für die Feststellungen nicht durchgeführt wurden, in die Besteuerung einzubeziehen, kann trotz Ablauf der regulären Feststellungsverjährung die gesonderte Feststellung für frühere Erwerbe nachgeholt werden, da diese für die Besteuerung von Bedeutung ist, § 181 Abs. 5 S. 1 AO. Welche Wohnung der Erblasser in welchem Umfang als Familienwohnheim verwendet, ist zur Beurteilung der Steuerfreistellung des § 13 Abs. 1 Nr. 4a–4c ErbStG zum Bewertungsstichtag zu entscheiden. Des Weiteren richtet sich die Artfeststellung des § 151 Abs. 2 Nr. 1 BewG nach den Umständen des Bewertungsstichtags (z.B. die Bezugsfertigkeit i.S.d. §§ 145 Abs. 1 S. 2, 178 Abs. 1 S. 2 BewG). Das Stichtagsprinzip ist allerdings durch die stark vergangenheitsbezogene Bewertung des Betriebsvermögens (z.B. der Durchschnittsertrag der vergangenen Jahre gem. § 201 Abs. 1 BewG und der Ansatz der durchschnittlichen Lohnsumme der letzten fünf Jahre gem. § 13a Abs. 3 S. 2 ErbStG) gelockert worden.
Der Bewertungsstichtag wird in der Regel von der anfordernden Dienststelle vorgegeben. Eine Überprüfung dieser Angabe durch das Feststellungsfinanzamt ist hierbei ebenso wenig vorgesehen wie hinsichtlich der Frage, ob eine Feststellung von Bedeutung ist (§ 151 Abs. 1 S. 2 BewG). Entspricht der Stichtag des Feststellungsbescheides nicht dem der Besteuerung zugrunde Gelegten, entfällt die bindende Wirkung des § 182 Abs. 1 AO. Der Bescheid bleibt gleichwohl wirksam, ist jedoch rechtswidrig. Denkbar ist dann, dass der zum unzutreffenden Bewertungsstichtag angesetzte Wert im Wege der sachgerechten Schätzung, § 162 Abs. 5 AO, zum Ansatz kommt. Einwände gegen den Ansatz und die Höhe des Wertes sind dann im Einspruchsverfahren gegen den Festsetzungsbescheid geltend zu machen.