1. Grundsätzliches – Instrumente der Begünstigung von Produktivvermögen
Rz. 70
Welche Verschonungsmechanismen im konkreten Fall zur Anwendung kommen (können), hängt zum einen vom Wert des erworbenen begünstigten Vermögens (§ 13b Abs. 2 S. 1 ErbStG) ab und darüber hinaus teilweise auch von der Ausübung bestimmter Wahlrechte durch den Steuerpflichtigen selbst.
Nur unter der Voraussetzung, dass die in § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG genannte Wertgrenze von 26 Mio. EUR nicht überschritten wird, kann die Regelverschonung von 85 % oder – im Falle einer entsprechenden Optionsausübung – die Vollverschonung nach § 13a Abs. 10 ErbStG (ungeschmälert) beansprucht werden.
Liegt der Wert des Erwerbs zwar über 26 Mio. EUR, aber nicht über 90 Mio. EUR, kann der Steuerpflichtige wählen, ob er einen abgeschmolzenen Verschonungsabschlag (Abschmelzungs-Modell, § 13c ErbStG) in Anspruch nehmen will oder sich der sog. Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG unterwirft. Letztere kann zu einem teilweisen Steuererlass führen, soweit das sog. "verfügbare Vermögen" zur Zahlung der auf den begünstigten Erwerb anfallenden Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer nicht ausreicht.
Liegt der für die Prüfung maßgebliche Wert des Erwerbs über 90 Mio. EUR, kommt nur die Verschonungsbedarfsprüfung in Betracht.
Rz. 71
Zusätzlich gewährt § 13a Abs. 9 ErbStG einen Vorweg-Wertabschlag für typische Familienunternehmen von bis zu 30 % des gemeinen Werts. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass dieser Wertabschlag vor Anwendung der in § 13a Abs. 1 bzw. § 13c Abs. 1 ErbStG genannten Wertgrenzen (26 Mio. EUR bzw. 90 Mio. EUR) vom Wert des begünstigten Vermögens (§ 13b Abs. 2 S. 1 ErbStG) abzuziehen ist (vgl. Rdn 62).
Am anderen Ende der Wert-Skala gewährt § 13a Abs. 2 ErbStG (ebenfalls zusätzlich zum Verschonungsabschlag) noch einen weiteren Freibetrag von maximal 150.000 EUR, durch den der Anfall einer Steuerbelastung bei kleineren Erwerben (bis zu einem Wert von 1 Mio. EUR) ganz vermieden werden kann (vgl. hierzu Rdn 80 ff.).
2. Verschonungsabschlag
Rz. 72
Soweit die vorstehend dargestellten persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt sind, gewährt § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG einen Verschonungsabschlag auf das übergehende begünstigte Vermögen, namentlich die nicht von den Begünstigungen ausgenommenen Teile des Betriebsvermögens, land- und forstwirtschaftliche Vermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften i.S.v. § 13b Abs. 2 ErbStG. Die Qualifikation des begünstigten Vermögens (und auch die Abgrenzung gegenüber dem begünstigungsfähigen Vermögen) ist nicht in § 13a ErbStG selbst geregelt; maßgeblich hierfür ist vielmehr § 13b ErbStG.
Rz. 73
Der Umfang des Verschonungsabschlages für den Fall der Regelverschonung (85 %) ergibt sich unmittelbar aus § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG. Im Falle der Options- bzw. Vollverschonung wird gem. § 13a Abs. 10 Nr. 1 ErbStG der in § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG angegebene Prozentsatz von 85 % durch einen Prozentsatz von 100 % ersetzt. Das begünstigte Vermögen bleibt in diesem Fall bei der Erbschaftsteuerberechnung vollständig außer Ansatz.
Rz. 74
Der Verschonungsabschlag ist – soweit nicht die mit dem ErbStG 2009 eingeführte Wertgrenze von 26 Mio. EUR überschritten ist – von Amts wegen zu berücksichtigen. Weder muss er besonders beantragt werden noch kann auf seine Anwendung verzichtet werden. Auch ein Begünstigungsausschluss durch in der Vergangenheit bereits erfolgte Gewährung der Verschonung besteht nicht. Vielmehr sind – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – sämtliche Erwerbe begünstigten Vermögens zwingend privilegiert. Eine Wahlmöglichkeit besteht nur hinsichtlich der Anwendung der Vollverschonung nach § 13a Abs. 10 ErbStG.
Rz. 75
Der Verschonungsabschlag wirkt sich in der Weise aus, dass der Wert eines begünstigten Vermögenserwerbs bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer durch einen Gegenposten (den Verschonungsabschlag) teilweise (oder sogar vollständig) neutralisiert wird und so im Ergebnis – wenigstens teilweise – "außer Ansatz" bleibt. Im Falle der Regelverschonung bewirkt dies, dass nur ein Anteil von 15 % des begünstigten Vermögens der Besteuerung unterliegt.
Rz. 76
Gehen auf ein und denselben Erwerber in einem einheitlichen Vorgang (z.B. durch Erbfall) mehrere selbstständig zu bewertende wirtschaftliche Einheiten einer oder mehrerer Arten begünstigten Vermögens (land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen, Mitunternehmeranteile, Anteile an Kapitalgesellschaften) über, sind deren Werte vor der Anwendung der Verschonungsregelungen zusammenzurechnen. Der Verschonungsabschlag ist also von der Summe der Werte aller begünstigten wirtschaftlichen Einheiten vorzunehmen. Gleiches gilt auch für den Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG. Sowohl Verschonungsabschlag als auch Abzugsbetrag können sich vor diesem Hintergrund nur bei einem insgesamt positiven Steuerwert des in die angesprochene Gesamtbetrachtung einzubezieh...