Rz. 13
Für die Besteuerung wird ein Gesamtbetrag gebildet, der sich aus dem Nacherwerb und allen Vorerwerben der letzten 10 Jahre zusammensetzt (§ 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG). Die Vorerwerbe fließen mit ihrem früheren Wert in die Zusammenrechnung ein (§ 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG). Der letzte Erwerb mit seinem aktuellen (Brutto-)Erwerb im Zeitpunkt des Nacherwerbs (§ 9 ErbStG, d.h. vor Abzug persönlicher Freibeträge) wird nach h.M. mit den zu berücksichtigenden früheren Erwerben mit ihren früheren steuerlichen Werten, z.B. Einheitswert, damaligem Kurswert und dergleichen, zusammengerechnet. Zur Berücksichtigung des früheren Werts ist zunächst zu prüfen, ob dieser – vom Entstehenszeitpunkt des aktuellen Erwerbs zurückgerechnet – innerhalb der 10-Jahresfrist liegt.
Ist dies der Fall, gelten zur Berücksichtigung folgende Grundsätze: Zu den früheren Vermögensanfällen zählen alle nicht befreiten unentgeltlichen Erwerbe i.S.d. ErbStG, die im Erhebungsgebiet steuerpflichtig gewesen sind. Vorerwerbe mit negativem Steuerwert werden nicht berücksichtigt (§ 14 Abs. 1 S. 5 ErbStG). § 14 ErbStG verhindert ausdrücklich, dass mehrere zeitlich nacheinander folgende Einzelschenkungen mit teils positivem und teils negativem Wert zusammengerechnet werden. Dieses Saldierungsverbot gilt aber nur für zeitlich getrennt ausgeführte Schenkungen (innerhalb von 10 Jahren von denselben Personen)! Werden Schenkungen mit positiven und negativen Werten im Rahmen einer einheitlichen Schenkung ausgeführt, sind sie zu saldieren und nur mit dem Saldo (sofern positiv) bei der Zusammenrechnung zu berücksichtigen. Allerdings hat der Steuerpflichtige im Zweifel nachzuweisen, dass es sich um einen einheitlichen Erwerb gehandelt hat.
Rz. 14
Hat z.B. ein Erblasser dem Erben gegenüber eine Zugewinnausgleichsforderung lebzeitig zinslos gestundet, hat sowohl die Erfassung der Zugewinnausgleichsforderung als Nachlassgegenstand als auch die Erfassung der Zinsschenkung als Vorschenkung mit den gemäß § 12 Abs. 3 BewG bzw. § 14 Abs. 2 BewG abgezinsten Werten zu erfolgen. Spätere Wertänderungen der früheren Erwerbe bleiben unberücksichtigt. Zu fehlerhaften Bewertungen der früheren Erwerbe siehe Rdn 23.
Hat der Schenker auch die Schenkungsteuer übernommen, gilt als "früherer Wert" des Vorerwerbs sein Wert zzgl. der auf diesen Betrag zu errechnenden Steuer. Mehrere Vorerwerbe werden ohne den Nacherwerb zuvor zusammengerechnet.
Nachträglich rückgängig gemachte Erwerbe (z.B. aufgrund einer Widerrufsklausel) sind wieder aus der Zusammenrechnung herauszunehmen bzw. dürfen später nicht berücksichtigt werden; ggf. ist ein Bescheid rückwirkend zu korrigieren. Bei der in § 29 Abs. 2 ErbStG enthaltenen rückwirkenden Fiktion, nach der der ursprüngliche Erwerber (rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Erwerbs) wie ein Nießbraucher besteuert wird, handelt es sich um eine Wertberechnungsvorschrift, die ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO darstellt. Damit ist ein Schenkungsteuerbescheid, der die rückgängig gemachte Schenkung z.B. eines Grundstücks als Vorerwerb berücksichtigt, nach Aufhebung des Schenkungsteuerbescheids bezüglich der Grundstücksschenkung gem. § 29 Abs. 2 ErbStG i.V.m. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern und der Vorerwerb ggf. i.H.d. Nießbrauchswerts anzusetzen.
Rz. 15
War für den früheren Erwerb eine qualitative Steuerbefreiungsvorschrift anzuwenden (z.B. §§ 13 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4a, 12, 14 und 15–18, 13a oder 13c und 19a ErbStG), können die befreiten Erwerbe nicht als Vorerwerbe einbezogen werden. Die Befreiung nach §§ 13a und 13c sowie 19a ErbStG hat zur Folge, dass begünstigtes Vermögen nur in Höhe des die Befreiung übersteigenden Betrags in die Zusammenrechnung einbezogen werden kann (R E 14.2 Abs. 3 ErbStR 2019). Die Zugewinnausgleichsforderung i.S.d. § 5 ErbStG gehört nicht zu einem Erwerb i.S.d. §§ 3, 7 ErbStG. Beim sog. fliegenden Güterstandwechsel kann die entstehende Ausgleichforderung weder mit einer früheren noch einer späteren Zuwendung zusammengerechnet werden. Ein Erlass nach § 28a ErbStG ist nur möglich, soweit zum Letzterwerb begünstigtes Vermögen gehört. Hierfür ist ein Antrag zu stellen! Keine qualitative Steuerbefreiung war die Straffreiheit nach dem StraBEG, d.h. auch die nach dem StraBEG strafbefreiten Vorerwerbe sind in die Zusammenrechnung einzubeziehen. Dabei ist für die Vorerwerbe die fiktive Steuer nach § 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG anzurechnen.
Quantitative (betragsmäßig) befreite Erwerbe (z.B. gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) sind ohne die Kürzung des Freibetrags als Vorerwerbe zu berücksichtigen, z.B. ist für Hausrat der Bruttobetrag als Vorerwerb anzusetzen. Enthält die zur Steuerfreiheit führende Begünstigung sowohl quantitative wie auch qualitative Elemente, z.B. die Entlastung nach § 13a oder § 13c ErbStG (vor 1996: § 13 Abs. 2a ErbStG), wird das begünstigte Vermögen nur i.H.d. die Befreiung übersteigenden Betrags in die Zusammenrechnung einbezogen werden (R E 14.2 Abs. 3 ErbStR 2019). Ein nicht v...