Rz. 125
Als Schenkung gilt, was jemand als Abfindung für einen Erbverzicht i.S.v. §§ 2346, 2352 BGB erwirbt. Klassischer Fall ist der gesetzliche Erbe, der auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Durch die Bezugnahme auf § 2346 BGB genügt es für die Anwendung von § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG, wenn der gesetzliche Erbe lediglich auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet. Aber auch der testamentarische Erbe oder der Vermächtnisnehmer können über einen sog. Zuwendungsverzicht gem. § 2352 BGB auf ihre Erben- bzw. Vermächtnisstellung verzichten. Andere Verzichtsarten, wie z.B. der Verzicht des Vertragserben auf den Herausgabeanspruch nach § 2287 BGB, werden von § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG dagegen nicht erfasst. Auf einen subjektiven Willen zur Unentgeltlichkeit kommt es nicht an. § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG fingiert insoweit eine Schenkung.
Rz. 126
Der Verzicht muss vor dem Erbfall durch notariellen Vertrag mit dem künftigen Erblasser erfolgen. Ein nach dem Erbfall ausgesprochener Verzicht fällt als Erwerb von Todes wegen unter § 3 Abs. 2 Nr. 4 bzw. 5 ErbStG (vgl. § 3 ErbStG Rdn 94 f.). Ein unentgeltlicher Verzicht auf den Pflichtteil, der nach dem Erbfall, aber vor Geltendmachung des Pflichtteils ausgesprochen wird, ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG steuerfrei (vgl. § 13 ErbStG Rdn 91).
Rz. 127
Der Verzicht als solcher führt nicht zu einem schenkungsteuerlich relevanten Tatbestand. Denn vor dem Erbfall hat sich die Rechtsposition des Erben noch nicht konkretisiert. Der bloße Verzicht auf eine Erwerbsaussicht (künftiges Erbrecht oder Pflichtteilsrecht) stellt keine steuerwirksame Schenkung dar (§ 517 BGB). Erst die Abfindung, die für diesen Verzicht gewährt wird und an die Stelle der Erwerbsaussicht tritt, gilt als Schenkung. Die Besteuerung erfolgt gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit Erwerb der Abfindung und nicht erst im Zeitpunkt des Erbfalls.
Rz. 128
Die Abfindungszahlung kann durch den künftigen Erblasser oder einen Dritten erfolgen. Der Besteuerung wird stets das Verhältnis zum Erblasser zugrunde gelegt, auch wenn die Abfindungszahlung durch einen Dritten – wie in der Regel den verbleibenden begünstigten gesetzlichen Erben – erfolgt.
Beispiel
Der Vater V vereinbart zu Lebzeiten mit seinem Sohn S einen Erbverzicht zugunsten des Bruders B. Als Abfindung wird ein Betrag von 400.000 EUR vereinbart. B zahlt diesen Betrag nach dem Tod des V an S aus.
S versteuert die Abfindung nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG. Der Besteuerung ist das Verhältnis zu V zugrunde zu legen, auch wenn die Abfindung durch B gezahlt wird. Eine Steuer fällt aufgrund des persönlichen Freibetrages in Höhe von 400.000 EUR (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) nicht an.
B hat einen Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu versteuern. Er kann die Abfindung als Kosten des Erwerbs nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG bereicherungsmindernd in Abzug bringen.
Rz. 129
Nicht ausreichend ist ein Erbschaftsvertrag zwischen künftigen Erben untereinander (§ 311 Abs. 4 u. 5 BGB). Bereicherungen, die aus einem solchen Erbschaftsvertrag resultieren, werden von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfasst. Nach bisheriger Ansicht des BFH war jedoch auch hier das Verhältnis zum Erblasser einer Besteuerung zugrunde zu legen. Damit konnten gesetzliche Erben ohne Wissen der künftigen Erblasser Vereinbarungen über das Erbe treffen und dieser das günstige Besteuerungsverhältnis zum Erblasser zugrunde zu legen. Mit seiner Entscheidung vom 10.5.2017 stellt der BFH vielmehr auf das Verhältnis zwischen den beiden Vertragsparteien ab.
Beispiel
Die Geschwister S und B vereinbaren ohne Wissen des Vaters V, dass S auf sein künftiges Erbe einschließlich Pflichtteilsansprüche zugunsten B verzichtet. Dafür erhält er von B eine Abfindung in Höhe von 400.000 EUR. Später stirbt V und B erhält das Erbe.
Die Abfindungszahlung ist bei S nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG schenkungsteuerpflichtig. Der Besteuerung wurde nach alter Rechtsprechung das Verhältnis des V zu S zugrunde gelegt, so dass aufgrund des persönlichen Freibetrages nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG keine Steuer anfällt. Nach aktueller Ansicht des BFH ist dagegen das Verhältnis zwischen B und S zugrunde zu legen. Es findet die Steuerklasse II Anwendung, § 15 Abs. 1 ErbStG. Der persönliche Freibetrag beträgt lediglich 20.000 EUR, § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG, so dass es zu einer Steuerbelastung kommt.
B versteuert die Erbschaft nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei Tod des V. Er kann die an S gezahlte Abfindung als Erwerbskosten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG von seiner Bereicherung in Abzug bringen.
Rz. 130
Wird die Abfindung mit der Maßgabe geleistet, mit dieser ein bestimmtes Grundstück zu erwerben, finden die Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung (vgl. Rdn 77 ff.) Anwendung. Dies kann auch nach der Erbschaftsteuerreform von Vorteil sein, wenn z.B. die Vergünstigungen des § 13d ErbStG Anwendung finden (siehe § 13d ErbStG Rdn 2).
Rz. 131
Erstreckt sich die Abfindung nicht nur auf den Erbverzicht, sondern werden auch weitere Gegenleistungen ab...