Rz. 40
§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG regelt die Steuerbefreiung für den Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner (nicht dagegen Verlobte oder Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft) bei dem Erwerb eines Familienheims von Todes wegen, während in § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG erstmalig eine Steuerbefreiung für einen Übergang auf Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 (leibliche Kinder, Adoptivkinder, Stiefkinder) bzw. Kinder verstorbener Kinder (Enkelkinder) vorgesehen ist. Aufgrund der zum großen Teil identischen Voraussetzungen werden beide Nummern nachfolgend gemeinsam dargestellt und die wenigen Unterschiede an geeigneter Stelle hervorgehoben.
Rz. 41
Der in § 13 Abs. 1 Nr. 4b–4c ErbStG verwendete Begriff Familienheim ist enger als in § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG: Erforderlich ist nicht nur, dass es sich um ein bebautes Grundstück i.S.v. § 181 Abs. 1 Nr. 1–5 BewG im Inland bzw. EU-/EWR-Ausland handelt, in dem sich eine eigengenutzte Wohnung befindet (siehe Rdn 27), sondern
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der Erblasser muss diese Wohnung zu eigenen Wohnzwecken bis zum Erbfall genutzt haben oder aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert gewesen sein und |
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die Wohnung muss beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sein. |
Rz. 42
Die § 13 Abs. 1 Nr. 4b–4c ErbStG stellen nur die (ganz oder teilweise) Eigentumsübertragung an dem Familienheim von der Steuer frei, nicht dagegen die Übernahme von Verbindlichkeiten oder vergleichbaren Übertragungen, wie aber in § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG vorgesehen (siehe Rdn 34). Auch genügt es nicht, wenn von Todes wegen lediglich ein dingliches Wohnrecht an dem Familienheim übertragen wird. Genügen kann dagegen der Erwerb einer angrenzenden Wohnung von Todes wegen, wenn diese unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt ist.
Rz. 43
Anders als bei § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG verlangen die Nr. 4b und 4c nach ihrem Wortlaut keine gemeinsame lebzeitige Nutzung durch beide Ehegatten bzw. eingetragene Lebenspartner. Ausreichend, aber auch notwendig ist, dass nur der Erblasser bis zu seinem Tode in der Wohnung gelebt hat bzw. er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert war und die Wohnung beim anderen Ehegatten unverzüglich (§ 121 BGB: ohne schuldhaftes Zögern) zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist. Dies soll für den Erben selbst dann gelten, wenn er an der Wohnung lediglich das Miteigentum erwirbt. Für eine Selbstnutzung durch den Erben (z.B. das Kind) soll es nicht genügen, wenn das Kind die Wohnung unentgeltlich an den länger lebenden Ehegatten überlässt. Der Erwerber muss die Selbstnutzung überdies unverzüglich, d.h. in der Regel innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall aufnehmen. Allerdings kann auch ein längerer Zeitraum angemessen sein, wenn besondere Umstände hinzutreten (z.B. bei einer länger dauernden Erbauseinandersetzung oder Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Erbanfall bzw. Renovierungsstau), für die der Erwerber beweisbelastet ist.
Haben sich die Ehegatten daher getrennt und ist der Erblasser bereits aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, greift die Steuerbefreiung bei einem Erwerb von Todes wegen für die ehemals gemeinsame Wohnung nicht mehr ein. Eine Ausnahme gilt für den Erblasser nur dann, wenn er aufgrund objektiv zwingender Gründe an einer Selbstnutzung gehindert ist. Zu solchen zwingenden Gründen zählen – nach der Gesetzesbegründung für den Erwerber bzgl. der zehnjährigen Behaltensfrist (siehe Rdn 58) – vor allem die Pflegebedürftigkeit bzw. der Tod. Die zwingenden Gründe für den Erblasser dürften im Hinblick auf die Pflegebedürftigkeit identisch sein. Dabei genügt nicht jede Art der Pflegebedürftigkeit. Der Erblasser muss vielmehr derart pflegebedürftig sein, dass ihm die alleinige Hausstandsführung nicht mehr möglich ist und er sich deshalb z.B. in einem Pflegeheim aufhält. Dagegen ist das Erreichen einer bestimmten Pflegestufe, z.B. der Pflegestufe III, keine Voraussetzung. Ein weiterer zwingender Grund könnte in einem Schaden an der Immobilie liegen, der zumindest vorübergehend einer Wohnnutzung entgegensteht, wie z.B. ein Wasserschaden oder Schimmelbefall. Streitigkeiten über die Frage, wann darüber hinaus ein zwingender Grund anzunehmen ist, sind vorprogrammiert.
Rz. 44
Offen ist, ob die Finanzverwaltung eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b bzw. 4c ErbStG akzeptieren wird, wenn der Erblasser aus zwingenden Gründen (z.B. Heimaufenthalt wegen Pflegebedürftigkeit) an der Nutzung der Wohnung gehindert ist und diese zu seinen Lebzeiten vermietet wird. Nach dem Gesetzeswortlaut erscheint es ausreichend, wenn der Erwerber unverzüglich seinen Einzug in die Wohnung in die Wege leitet, d.h. dem vorhandenen Mieter zum nächst möglichen Zeitpunkt aufgrund Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) kündigt und nach Räumung und Renovierung in die Wohnung einzieht. Die Finanzverwaltung regelt bislang ausdrücklich nur den Fall, dass der Erwerber aus objek...