Rz. 12
Schlägt der Nacherbe die Nacherbschaft nach Eintritt des Nacherbfalls gem. § 2142 Abs. 1 BGB aus, wird der Vorerbe zum Vollerben nach § 2142 Abs. 2 BGB. Hat der Nacherbe erst nach dem Eintritt des Nacherbfalls ausgeschlagen, wird das nach § 2139 BGB weggefallene Erbrecht des Vorerben, der damit zum Vollerben wird, wiederhergestellt, sofern der Erblasser nicht einen Ersatzerben bestimmt hat. Zu beachten ist, dass sofern mehrere Nacherben bestimmt wurden, nach § 2094 BGB Anwachsung stattfindet. Wird der Vorerbe durch die Ausschlagung zum Vollerben, stellt dies aber keine steuerbare Zuwendung im Verhältnis Nacherbe zum Vorerben dar. In der Praxis häufig anzutreffen ist jedoch der Fall, dass der Nacherbe als Gegenleistung für die Ausschlagung eine Abfindung erhält. Eine solche Abfindung kann sowohl in Geld als auch in Sachwerten erfolgen. Eine solche Abfindung unterliegt beim Nacherben nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer. Eine Besteuerung der Abfindungsleistung nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG scheidet m.E. aus, da entgegen einer Meinung in der Literatur dies nach dem Regelungsgehalt nicht anzunehmen ist.
Rz. 13
Der Nacherbe erwirbt mit Eintritt des Vorerbfalls ein Anwartschaftsrecht, welches er ab diesem Zeitpunkt frei übertragen kann, sofern der Erblasser nichts Abweichendes geregelt hat. Überträgt der Nacherbe vor dem Anfall der Nacherbschaft dieses Anwartschaftsrecht entgeltlich auf einen Dritten, so ist das, was der Nacherbe als Entgelt erhält, nach § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG zu besteuern, und zwar so, als wenn der übertragende Nacherbschaftsanwärter das Entgelt vom Erblasser erhalten hätte. Wird das Anwartschaftsrecht hingegen vom Nacherben auf den Vorerben entgeltlich übertragen, so kommt neben § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG zusätzlich § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG zur Anwendung. Erfolgt eine unentgeltliche Übertragung des Anwartschaftsrechts vom Nacherben auf einen Dritten, so stellt dies einen nicht steuerbaren Tatbestand dar. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG unterliegt diese unentgeltliche Übertragung nicht der Erbschaftsteuer. Einzig der Nacherbfall ist bei dessen Eintritt steuerbar. Die Frage, welche Steuerklasse, damit welcher Steuersatz und welche persönlichen Freibeträge zur Anwendung gelangen, richtet sich ausschließlich nach dem Verhältnis des Dritten zum Vorerben nach § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG bzw. nach dem Verhältnis zum Erblasser nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG. Das Verhältnis des Nacherben zum Vorerben oder Erblasser ist für diesen Fall also unbeachtlich.
Rz. 14
Der Tod des Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls stellt keine vorzeitige Realisierung des Anwartschaftsrechts dar. Nach § 10 Abs. 4 ErbStG gehört die Anwartschaft des Nacherben nicht zu dessen Nachlass und ist deshalb nicht für die Bewertung des Nachlasses des Nacherben zu bewerten. Der Erbe des Nacherben tritt, sofern nichts anderes geregelt ist, die Nacherbschaft im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls an. Die Besteuerung des Nacherbfalls richtet sich dann nach dem Verhältnis des Erben/Nacherben zum Vorerben bzw. auf Antrag zum Erblasser nach § 6 Abs. 2 S. 1 und S. 2 ErbStG.