Rz. 7
Insbesondere bei Wertminderungen nach dem Bewertungsstichtag, aber auch nach plötzlichen Werterhöhungen kurz vor dem Stichtag, wird es regelmäßig – vor allem auch dann, wenn der Erwerber aus nicht in seiner Person liegenden Gründen über das erworbene Vermögen nicht oder nur eingeschränkt verfügen konnte – als unbillig empfunden, wenn die Steuer von dem hohen Wert am Entstehungsstichtag zu zahlen ist. Ähnliches gilt in Nachbesteuerungsfällen, z.B. die Vergünstigungen für Betriebsvermögen fallen wegen Eröffnung der Insolvenz in der Behaltensphase weg. Da ErbStG/BewG keine Ausnahme vom Stichtagsprinzip vorsehen, kann nur versucht werden, im Wege der allgemeinen Billigkeit (§§ 163, 222, 227 AO) eine Herabsetzung der Steuerschuld zu erreichen. Allerdings kann nach der bisherigen Praxis der Verwaltung und der Rechtsprechung nicht ohne weiteres erwartet werden, dass bei Wertänderungen ohne hinzutretende weitere persönlicher Umstände (wirtschaftliche Existenzprobleme) ein Erlass/Teilerlass gewährt wird. Eine Billigkeitsmaßnahme kann aber geboten sein, wenn es beim Vollzug einer im Allgemeinen verfassungsmäßigen Norm in einem Härtefall zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Problemlage kommt. Steht fest, dass eine Vermächtnisforderung nicht voll erfüllt wird und mit weiteren Zahlungen nicht mehr zu rechnen ist, weil z.B. ein gestellter Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen wird, kann aus Billigkeitsgründen nur der Betrag angesetzt werden, den der Vermächtnisnehmer tatsächlich erhalten hat. Wird für eine von Todes wegen erworbene Leibrente nach § 23 Abs. 1 ErbStG die jährliche Besteuerung des Jahreswerts gewählt und fallen die Rentenzahlungen später wegen der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Verpflichteten aus, kann eine abweichende Festsetzung der Erbschaftsteuer für die Ablösung der Jahressteuer nach § 23 Abs. 2 ErbStG i.V.m. § 163 S. 1 AO gerechtfertigt sein, wenn der Rentenberechtigte als Erwerber den Antrag auf Ablösung der Jahressteuer erst lange Zeit nach Beginn des Zahlungsausfalls stellt und nicht damit zu rechnen ist, dass er weitere Rentenzahlungen erhalten wird. Entscheidend sind jeweils die Umstände des Einzelfalls.
Anhaltspunkte zur Berechnung des Erlassumfangs gibt allgemein Weinmann und das FG Köln. Ist die Steuerlast (errechnet nach dem damaligen hohen Wert) bezogen auf den nachträglich geminderten Wert den Höchststeuersatz der jeweiligen Steuerklasse, also 30 % oder 50 % höher, soll bzgl. der Differenz ein Erlass in Betracht kommen.
Beispiel
In der Steuerklasse II bewirkt ein Wert von 1.000.000 EUR eine Steuer von 30 % = 300.000 EUR. Ist der Wert nachträglich auf 500.000 EUR gemindert, bedeutet die Steuerlast von 300.000 EUR bezogen auf 500.000 EUR eine Steuerbelastung von 60 %. Es käme ein Erlass von 150.000 EUR Steuer in Frage.
Nach FG Köln kann eine Billigkeitsmaßnahme in Frage kommen, wenn das nach der Wertminderung verbleibende Vermögen weniger als die Hälfte des Vermögens beträgt, das nach Abzug der Steuer ursprünglich übrig bleibt. Im vorgenannten Beispiel bliebe einem Steuerpflichtigen bei 1.000.000 EUR nach Abzug der Steuer 700.000 EUR, die Hälfte beträgt 350.000 EUR. In dem Fall müssten also bei einem geminderten Wert von 500.000 EUR an Steuern 150.000 EUR erlassen werden, damit dem Steuerpflichtigen zumindest die Hälfte vom ursprünglichen Nettobetrag (von 700.000 EUR), nämlich 350.000 EUR, verbleiben.
Unabhängig von Billigkeitserwägungen müsste ggf. auf der Vollstreckungsebene eine Regelung gefunden werden.