Rz. 18
§ 15 Abs. 3 ErbStG ermöglicht in Fällen des Berliner Testaments unter gewissen Voraussetzungen eine Abmilderung der Steuerbelastung des Schlusserben/Vermächtnisnehmers. Der Schlusserbe/Vermächtnisnehmer eines Berliner Testaments erwirbt den gesamten Nachlass grundsätzlich vom letztversterbenden Ehegatten/Lebenspartner. Der Versteuerung ist daher grundsätzlich (von Amts wegen) das persönliche Verhältnis des Schlusserben/Vermächtnisnehmers zum letzten Erblasser zugrunde zu legen. Dies ist meist unproblematisch, da Schlusserben häufig Kinder/Stiefkinder oder Kinder verstorbener Kinder sind und die Erwerber daher in gleicher Steuerklasse zum erst- oder zweitverstorbenen Ehegatten/Lebenspartner stehen. Entsprechendes gilt, wenn die Ehegatten/Lebenspartner ein Vermächtnis angeordnet haben, das nach dem Tod des Zweitversterbenden erfüllt werden soll.
Der (erbschaftsteuerliche) Nachteil des Berliner Testaments besteht vor allem darin, dass der beim überlebenden Ehegatten vereinheitlichte Nachlass teilweise schon einmal der Erbschaftsteuer unterlegen hat, beim Erwerb vom zweitverstorbenen Ehegatten/Lebenspartner erneut versteuert werden muss und dabei nur ein Freibetrag beansprucht werden kann. In der Beratungspraxis wird das Berliner Testament daher häufig vermieden oder bei entsprechendem Alter der Ehegatten/Lebenspartner durch andere letztwillige Verfügungen ersetzt.
Der Schlusserbe oder der Vermächtnisnehmer einer gegenseitigen Erbeinsetzung von Ehegatten/eingetragenen Lebenspartnern wird nach Abs. 3 auf Antrag "tariftechnisch" als Erbe des erstverstorbenen und nicht als Erbe des zweitverstorbenen Ehegatten/Lebenspartner behandelt, wenn er mit dem erstverstorbenen Ehegatten/Lebenspartner näher verwandt ist, z.B. ein Geschwisterteil des erstverstorbenen Ehegatten, und wenn in dem vom zweitverstorbenen Ehegatten/Lebenspartner stammenden Vermögen noch Vermögen des erstverstorbenen Ehegatten/Lebenspartner vorhanden ist. Die Rechtsfolgeregelung in § 15 Abs. 3 ErbStG hat Einfluss auf die Zuordnung zur Steuerklasse, u.a. auch auf die Anwendung des § 19 Abs. 3 ErbStG und des § 27 ErbStG, sowie auf die Höhe des (von der StKl abhängigen) Freibetrags.
Die Anwendung des Abs. 3 setzt eine dreistufige Prüfung voraus:
1. |
Es muss ein Berliner Testament im Sinne des § 2269 BGB vorliegen und der überlebende Ehegatte/Lebenspartner muss an die Verfügung gebunden sein. Ggf. ist durch Auslegung zu ermitteln, ob ein Berliner Testament (Voll- und Schlusserbenfolge) oder etwa eine Vor- und Nacherbschaft oder z.B. eine Erbschaft i.V.m. mit einem Nießbrauch zugunsten des überlebenden Ehegatten vorliegt. Zu der Frage, ob und wie weit der überlebende Ehegatte/Lebenspartner an die gegenseitige Erbeinsetzung gebunden ist, gibt es umfangreiche Rechtsprechung. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein Fall des Abs. 3 dann nicht vorliegt, wenn der überlebende Ehegatte/Lebenspartner die Schlusserbenbestimmung geändert hat. |
2. |
Der Schlusserbe/Vermächtnisnehmer muss mit dem erstverstorbenen Ehegatten/Lebenspartner näher verwandt sein; die Vorschrift setzt keine Verwandtschaft zu dem zuletzt verstorbenen Ehegatten/Lebenspartner voraus, es genügt eine Verschwägerung (§ 1590 Abs. 1 und 2 BGB) und |
3. |
es muss noch (nachweislich) Vermögen des Erstverstorbenen übergehen. |
Die Besteuerung selbst richtet sich gem. § 15 Abs. 3 S. 2 ErbStG nach den für Fälle der Vor- und Nacherbschaft geltenden Regelung des § 6 Abs. 2 S. 3 bis 5 ErbStG entsprechend, siehe dazu § 6 ErbStG Rdn 32 ff.
Rz. 19
Das persönliche Verhältnis des Erwerbers zum ursprünglichen Erblasser kann nur in Bezug auf das von diesem stammenden Vermögen zugrunde gelegt werden. Stammt das Vermögen ausschließlich vom erstverstorbenen Ehegatten/Lebenspartner, kann die Steuer so berechnet werden, wie wenn das Vermögen unmittelbar auf den Schlusserben übergegangen wäre. Stammt nur ein Teil des Vermögens vom erstverstorbenen Ehegatten/Lebenspartner, ist der zivilrechtlich als Einheit zu beurteilende Nachlass des zuletzt verstorbenen Ehegatten/Lebenspartner für die Erbschaftsteuer bezüglich der Steuerklasse der Schlusserben aufzuteilen, und zwar in das vom zuerst verstorbenen Ehegatten/Lebenspartner stammende Vermögen, das beim Tod des Letztverstorbenen noch vorhanden ist, und den übrigen Nachlass. Bei der Prüfung, inwieweit beim Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten/Lebenspartner noch Vermögen des anderen Ehegatten i.S.d. § 15 Abs. 3 S. 1 ErbStG vorhanden ist, kommt es nicht auf die einzelnen Vermögensgegenstände, sondern lediglich auf den Gesamtwert des Vermögens an. Haben sich Ehegatten durch gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag gegenseitig als Erben und Verwandte als Schlusserben eingesetzt, ist das beim Tod des länger lebenden Ehegatten dem Werte nach noch vorhandene Vermögen des zuerst verstorbenen Ehegatten im Rahmen der Bindungswirkung der getroffenen Verfügungen erbschaftsteuerrechtlich nach § 15 Abs. 3 S. 1 ErbStG vorrangig und ohne weitere Quotelung den mit dem Er...