Rz. 22
Ein Erwerb bleibt nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerfrei, sofern der Beschenkte i.S.v. § 7 ErbStG oder der Erwerber von Todes wegen nach § 3 ErbStG den erworbenen Gegenstand innerhalb von 24 Monaten an eine inländische Gebietskörperschaft oder inländische gemeinnützige Stiftung weitergibt. Die Regelung von § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist im Einklang mit § 13 Abs. 1 Nr. 15 und 16 ErbStG zu sehen. § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG findet auch dann Anwendung, wenn die Weitergabe der erworbenen Gegenstände aufgrund letztwilliger Verfügung von Todes wegen innerhalb von 24 Monaten nach Entstehung der Steuer erfolgt.
Die Frist von 24 Monaten ist dabei abschließend. Innerhalb dieser Zeit muss die Übertragung erfolgt sein. Nach anderer Ansicht soll der Finanzverwaltung die Möglichkeit zur Verlängerung der Frist gewährt sein. Dem ist nicht zuzustimmen, da bei den Beratungen zum Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen eine längere Frist von 36 Monaten zu Recht verworfen wurde. Vielmehr muss der Zeitraum von zwei Jahren ausreichend sein, um überlegen zu können, ob erworbene Gegenstände gemeinnützigen Zwecken zugeführt werden; auch für die Gründung einer Stiftung ist der Zeitraum von zwei Jahren ausreichend. Auf die Art des weitergegebenen Gegenstandes kommt es nicht an; es ist also für die Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht notwendig, dass der weitergegebene Gegenstand für die Kunst, Wissenschaft oder Geschichte von Bedeutung ist, vielmehr ist allein maßgeblich, dass der erworbene Gegenstand in das Eigentum der inländischen Gebietskörperschaft oder inländischen gemeinnützigen Stiftung übergeht.
Rz. 23
Die Frage, ob § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auch für Surrogate Anwendung findet, denn in der Norm wird konkret von den erworbenen Vermögensgegenständen gesprochen, wird von der h.M. bejaht. Betrachtet man den Zweck der Norm, ist diese weite Auslegung gerechtfertigt. Dies gilt im Übrigen auch bei einer teilweisen Weitergabe von erworbenen Gegenständen; es hat dann eine teilweise Erstattung der entrichteten Steuer zu erfolgen.
Rz. 24
Für die Praxis ist neben der Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG insb. auch § 224a AO zu beachten. Denn nach § 224a AO kann der steuerpflichtige Erwerber anstatt der Bezahlung der angefallenen Erbschaft- oder Schenkungsteuer das Eigentum an Kunstgegenständen, Kunstsammlungen, wissenschaftlichen Sammlungen, Bibliotheken, Handschriften und Archiven auf das Land, dem das Steueraufkommen zusteht, übertragen, sofern daran ein öffentliches Interesse aufgrund ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft besteht. Der Steuerpflichtige bezahlt also seine bestehende Steuerlast durch die Hingabe dieser Gegenstände. Er kann auch nicht auswählen, auf wen er diese Gegenstände überträgt, sondern das Land, dem das Steueraufkommen zusteht, wird Eigentümer der Gegenstände und hat die Entscheidungsbefugnis, welcher Landeseinrichtung es diese zukommen lassen möchte. Dies ist für die Praxis von erheblicher Bedeutung, denn im Rahmen von Vermögensnachfolgegestaltungen sollte dies berücksichtigt werden, gerade, wenn der Zuwendende/Erblasser einer bestimmten Einrichtung Gegenstände zukommen lassen möchte.
Rz. 25
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG kann lediglich einer der in der Norm genannten öffentlichen oder gemeinnützigen Träger als Empfänger der Vermögensgegenstände in Betracht kommen. Der Katalog der Vermögensempfänger ist insoweit abschließend. Zum einen sind dies die inländischen Stiftungen, die nach §§ 52–54 AO einem gemeinnützigen Zweck verpflichtet sind, ausgenommen davon sind die gemeinnützigen Zwecke der Regelung nach § 52 Abs. 2 Nr. 4 AO. § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG umfasst dabei sowohl die rechts- als auch die nicht rechtsfähigen Stiftungen, die jedoch alle gemeinnützig sein müssen i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG.
Rz. 26
Die Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG scheidet jedoch aus, wenn die gemeinnützige Stiftung nach § 58 Nr. 6 AO auch Leistungen an den Erwerber selbst oder dessen nächste Angehörige leisten muss. Nach h.M. empfiehlt sich für die Praxis, dass der Erblasser/Zuwendende bereits selbst eine bereits bestehende oder zuvor errichtete Stiftung mit dem Vermögensgegenstand bedenkt, um so die Befreiung des § 13 Abs. 16 ErbStG erlangen zu können. Dies ist für die Beratungspraxis sicherlich zu berücksichtigen, um Rechtssicherheit im Vorfeld erlangen zu können. Abweichend davon kann bei der Hingabe eines Grundstückes, an dem sich der Erbe bei der Übertragung des Grundstückes an eine Stiftung ein Nutzungsrecht vorbehält, dieses besteuert werden. Das erworbene Grundvermögen fällt zwar unter die Steuerbegünstigung des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, obwohl durch den Vorbehalt des Nutzungsrechts nicht der tatsächlich erworbene Gegenstand insgesamt auf die Stiftung übertragen worden ist. In der Literatur und Rspr. wird überwiegend bejaht, dass die Begünstigung des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auch Surrogate umfasst, sofern der wesentliche Nachlassgegenstand erhalten bleibt. Zwar st...