Rz. 16
Der Wunsch von Eheleuten, das vorhandene eheliche Vermögen für die gemeinsamen Kinder zu erhalten und gleichzeitig das Vermögen beim überlebenden Ehegatten zu bündeln, wird häufig mit der Regelung einer Vor- und Nacherbschaft in der Praxis verbunden. §§ 2265 ff. BGB regeln, wie Eheleute und eingetragene Lebenspartner (§ 10 LPartG) in einem gemeinschaftlichen Testament gemeinsam verfügen können.
Dabei werden drei Gestaltungsvarianten unterschieden:
1. Vor- und Nacherbfolge (sog. Trennungslösung)
Rz. 17
Der jeweilige Ehegatte setzt den jeweils anderen als seinen Vorerben und eine dritte Person als seinen Nacherben und zugleich Ersatzerben ein. Diese Testamentsform wird als sog. Berliner Testament bezeichnet. Beim Tod des Letztversterbenden erhält der Dritte damit zwei voneinander getrennte Vermögensmassen. Einerseits das Nachlassvermögen des Erstverstorbenen, das beim Vorerben ein zivilrechtliches Sondervermögen darstellt, und andererseits das eigene Vermögen des Letztversterbenden. Grund dafür ist, dass der Dritte aus zwei verschiedenen Berufungsgründen erbt, einmal als Nacherbe des Erstverstorbenen und einmal als Vollerbe des Letztversterbenden.
2. Voll- und Schlusserbfolge (sog. Einheitslösung)
Rz. 18
Bei dieser Art der Gestaltung setzen sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben ein und legen bereits für den Überlebenden einen Erben fest, den sog. Schlusserben; dieser ist gleichzeitig von jedem der Eheleute als Ersatzerbe berufen, für den Fall, dass der zunächst als Erbe berufene Ehegatte verstirbt und deshalb nicht Erbe wird. Der überlebende Ehegatte wird für diesen Fall Vollerbe, so dass sich in seiner Hand beide Vermögensmassen, die des Vorverstorbenen und seine eigene, vereinigen.
3. Pflichtteilsstrafklausel
Rz. 19
Die sog. Einheitslösung leidet unter dem Nachteil, dass das Pflichtteilsrecht bei der Gestaltung hinderlich wirken kann. Denn pflichtteilsberechtigte Schlusserben können auf den Todesfall des Erstversterbenden hin ihren Pflichtteil geltend machen, ohne die Erbschaft ausschlagen zu müssen, und können weiterhin als eingesetzte Schlusserben auf den Tod des Letztversterbenden hin erben. Dieser meist unerwünschten Rechtsfolge (da dem Überlebenden ein ungeplanter Vermögensabfluss drohen kann) begegnet man in der Praxis meist mit einer sog. Pflichtteilsstrafklausel, wonach derjenige pflichtteilsberechtigte Schlusserbe für den Fall, dass er auf den Tod des Erstversterbenden hin seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht, auf den Tod des Letztversterbenden hin dann auch nur den Pflichtteilsanspruch erhalten soll. Die Schlusserbeneinsetzung erfolgt also unter einer auflösenden Bedingung.
4. Jastrow’sche Klausel
Rz. 20
Bei der Gestaltung einer gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung von Todes wegen geht es den Ehegatten, die ihre gemeinschaftlichen Abkömmlinge als Schlusserben einsetzen, meist auch darum, durch weitere Regelungen zu verhindern, dass auf das Ableben des Erstversterbenden hin ein Abkömmling seinen Pflichtteil geltend macht. Um dies zu verhindern, wird auf die sog. Jastrow’sche Klausel zurückgegriffen, wonach derjenige Abkömmling, der auf den Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteilsanspruch gerade nicht geltend macht, aus dem Vermögen des Erstversterbenden ein verzinsliches Geldvermächtnis in Höhe von deren gesetzlichem Erbteil erhält. Dieses Vermächtnis wird mit dem Tod des Letztversterbenden fällig und als Erwerb vom überlebenden Ehegatten behandelt, in Abweichung zum Zivilrecht. Es kommt § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG zur Anwendung, was bedeutet, dass der Vermächtniserwerb als Erwerb vom Beschwerten und nicht als Erwerb vom erstversterbenden Erblasser anzunehmen ist. Da der Vermächtniserwerb als Erwerb vom Beschwerten gilt, wird er so behandelt, als hätte der Beschwerte selbst und nicht der Erblasser das Vermächtnis angeordnet.
5. Vollerbfolge mit Nießbrauchsvermächtnis
Rz. 21
Bei dieser Gestaltung setzen die Eheleute bereits für den Tod des erstversterbenden Ehegatten eine dritte Person als Vollerben ein und behalten sich für den überlebenden Ehegatten ein Nießbrauchsrecht an dem Nachlass vor.
6. Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten
Rz. 22
Vielfach regeln Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament, in dem sie die gemeinsamen Abkömmlinge als Schlusserben eingesetzt haben, auch den Fall, dass der überlebende Ehegatte nochmals eine Ehe eingeht. Dabei regeln sie insbesondere zum Schutz der gemeinschaftlichen Abkömmlinge durch eine sog. Wiederverheiratungsklausel, nach deren Inhalt gemeinschaftliche Abkömmlinge der Eheleute nach dem Tod des Erstversterbenden und der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten in dem Zeitpunkt der Wiederverheiratung, der Überlebende den Nachlass des Erstversterbenden teilweise herausgeben muss, so wie wenn die gemeinschaftlichen Abkömmlinge neben ihm Vollerben des Erstverstorbenen geworden wären. Es handelt sich ...