Rz. 27

Es stellt sich im Steuerrecht die Frage, welche Nachweise darüber genügen, wer Erbe geworden ist, und inwieweit ein erteilter Erbschein auch für die Finanzverwaltung Bindungswirkung entfaltet. Im Zivilrecht entfaltet ein wirksam erteilter Erbschein beispielsweise für das Grundbuchamt und das Handelsregister Bindungswirkung,[41] nicht hingegen für das angerufene Prozessgericht.[42] In einem Erbschein wird neben dem oder den Erben auch deren Quote festgehalten. Darüber hinaus werden auch eine angeordnete Testamentsvollstreckung sowie die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft vermerkt. Weitere Vermerke wie beispielsweise das Vorhandensein von Pflichtteilsberechtigten, die Anordnung von Vermächtnissen oder Auflagen, wie auch Teilungsanordnungen oder das Verbot der Auseinandersetzung sind im Erbschein unzulässig.[43] Wurde ein unrichtiger Erbschein erteilt, so muss das Nachlassgericht diesen einziehen, sobald die Unrichtigkeit von diesem festgestellt wurde, § 2361 BGB. Der Einziehungsbeschluss erfolgt nach § 353 Abs. 1 FamFG. Der Beschluss über die Kraftlosigkeit eines Erbscheins für den Fall, dass der unrichtige Erbschein nicht an das Nachlassgericht zurückgegeben wird, erfolgt nach § 353 Abs. 1 S. 1 FamFG. Unrichtig kann ein Erbschein insb. sein, wenn er eine falsche Person als Erben ausweist, falsche Erbquoten ausweist oder keinen Nacherbenvermerk enthält. Wird ein Erbteil verkauft, wird dadurch der Erbschein nicht unrichtig.[44] Die Unwirksamkeit eines Erbscheins kann auch noch nach Jahren festgestellt werden, was beispielsweise durch das spätere Auffinden eines Testaments, welches eine andere Erbfolge enthält, der Fall sein kann. Für internationale Erbfälle ist nach Art. 62 EuErbVO das europäische Nachlasszeugnis (ENZ) das Zeugnis für den Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker und den Nachlassverwalter. Gemäß BGH[45] kann der Nachweis des Erbrechts auch durch die Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments erfolgen, sofern dies zu einem eindeutigen Nachweis des Erbrechts für den Rechtsverkehr führt.[46]

 

Rz. 28

Neben dem Erbschein sieht das deutsche Zivilrecht weitere Urkunden als Erbennachweis an. Zum einen ist in § 35 Abs. 2 GBO geregelt, dass es bei einer letztwilligen Verfügung, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, einen ausreichenden Nachweis über die Erbfolge darstellt, wenn die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung nach § 348 FamFG vorgelegt werden.[47] Liegt der Grundstückswert unter 3.000 EUR, so kann sich das Grundbuch nach § 35 Abs. 3 GBO auch mit sonstigen Nachweisen über das Erbrecht zufrieden geben, sofern die Erlangung der Urkunden, die für die Beantragung eines Erbscheins nach § 352 FamFG notwendig wären, unverhältnismäßig schwer ist.[48] Darüber hinaus ist in §§ 36, 37 GBO das so genannte Überweisungszeugnis geregelt; es dient dazu, Erben- und Gütergemeinschaften einfacher auseinandersetzen zu können.[49]

 

Rz. 29

In aller Regel folgt die Steuerbehörde dem durch das Nachlassgericht ausgestellten Erbschein und die Besteuerung erfolgt entsprechend. Jedoch ist das Finanzamt berechtigt, eine abweichende Erbfolge oder sonstige erbrechtliche Regelungen wie die einer Teilungsanordnung oder eines Vermächtnisses anzunehmen, insb. wenn der Erbschein offenkundig unrichtig ist.[50] Da das Finanzamt im Wege der Sachverhaltsermittlung zu abweichenden Feststellungen gelangen kann, wird die Vermutungswirkung des § 2365 BGB insoweit verdrängt, sofern das Finanzamt zu einer offenkundigen abweichenden Erbfolge und damit zur Annahme der Unrichtigkeit eines Erbscheins gelangen kann, sofern in diesem andere Personen als Erben ausgewiesen sind. Das Finanzamt ist nicht an den Inhalt eines Erbscheins gebunden, so dass ein nachträglich erteilter Erbschein kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO darstellt.[51]

[41] Damrau/Tanck/Uricher, § 2365 Rn 2.
[42] Damrau/Tanck/Uricher, § 2353 Rn 37; Lange/Kuchinke, § 39 III.
[43] Soergel/Zimmermann, § 2353 Rn 46.
[44] Bonefeld/Wachter/Uricher, Kap. 16 Rn 112.
[46] Bredemeyer, ZEV 2016, 320 ff.
[47] Damrau/Tanck/Uricher, § 2353 Rn 6.
[48] Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn 801.
[49] Demharter, Grundbuchordnung, §§ 36, 37 Rn 1.
[50] Gottschalk, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 3 Rn 108.
[51] Viskorf/Schuck/Wälzholz, § 3 Rn 67.

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