Rz. 71
Der Steuerfreibetrag für angemessene Zuwendungen für Pflege- oder Unterhaltsleistungen, für die der Leistende kein oder nur ein unzureichendes Entgelt erhalten hat, beläuft sich auf 20.000 EUR. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG findet sowohl bei Erwerben von Todes wegen als auch bei lebzeitigen Schenkungen Anwendung.
Voraussetzungen sind:
a) |
Pflege- oder Unterhaltsleistung werden durch eine nicht dazu gesetzlich verpflichtete natürliche oder juristische Person |
b) |
unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt erbracht und |
c) |
die Zuwendung stellt ein angemessenes Entgelt für die Leistungen nach a) dar. |
Rz. 72
Zu a): Pflege erfordert die Gewährung von notwendiger Fürsorge für das seelische und körperliche Wohlbefinden eines Menschen. Der Begriff Pflege ist dabei weit auszulegen, Es ist weder erforderlich, dass eine Pflegebedürftigkeit des Erblassers i.S.v. §§ 14 f. SGB XI gegeben ist, noch beschränken sich die anzuerkennenden Pflegeleistungen auf Hilfeleistungen i.S.v. § 14 SGB XI. Erfasst werden beispielsweise auch regelmäßige Botengänge, Sparziergänge usw. in Form von menschlichen Zuwendungen. Die Heimunterbringung schließt solche Pflegeleistungen ebenfalls nicht aus. Unterhaltsleistungen können in natura (z.B. durch Unterkunft oder Verpflegung) oder in Geld erfolgen. Die Leistungen müssen von einer gewissen Regelmäßigkeit und Dauer gewesen sein. Einmalige Leistungsgewährung ist nicht ausreichend. Unerheblich ist, ob der Leistende beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig ist. Besteht eine gesetzliche Unterhaltspflicht (Ehegatte gem. § 1360 BGB oder in gerader Linie Verwandte gem. § 1601 BGB, wie z.B. Kinder oder Eltern) oder eine Pflegeverpflichtung (Ehegatte gem. § 1353 BGB), hat die Finanzverwaltung auf Basis der Entscheidung des BFH vom 10.5.2017 zwischenzeitlich auch akzeptiert, dass die Gewährung des Pflegefreibetrages in Betracht kommen kann. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ist insoweit weit auszulegen, da sich eine gesetzliche Unterhaltspflicht nicht auf die persönliche Pflege erstreckt und damit auch in diesem Verhältnis unentgeltliche oder gegen unzureichendes Entgelt erbrachte Pflegeleistungen gegeben sein können.
Rz. 73
Zu b): Die Leistungen müssen unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt erbracht werden. Abzustellen ist auf das tatsächlich gezahlte Entgelt, nicht dagegen auf eine abweichende vertragliche Vereinbarung. Es darf kein gegenseitiger voll entgeltlicher Vertrag (Dienstleistung oder Geschäftsbesorgung) geschlossen worden sein. Denn dann erfolgt die Zuwendung nicht unentgeltlich, sondern in Erfüllung dieser vertraglichen Verbindlichkeit. Erfüllt der Erbe diese Zahlungsverbindlichkeit des Erblassers, kann er sie als Nachlassverbindlichkeit i.S.v. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG in Abzug bringen. Eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG für den Zahlungsempfänger scheidet dann bereits mangels steuerbaren Erwerbs aus. Die vertragliche Verpflichtung muss gegenüber dem Finanzamt nachgewiesen werden, am einfachsten durch schriftliche Fixierung. Dies gilt auch für Zuwendungen unter Lebenden. Bei Teilentgeltlichkeit bestimmt sich die schenkungsteuerliche Bereicherung nach den Grundsätzen der gemischten Schenkung (siehe § 7 ErbStG Rdn 39 ff.).
Rz. 74
Wird eine Zuwendung unter der (aufschiebenden) Bedingung geleistet, erst bei Eintritt der Pflegebedürftigkeit (oder einem anderen Ereignis) Pflegedienste erbringen zu müssen, wird der Steuerfreibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG von Seiten der Finanzverwaltung (zunächst) nicht gewährt und auch keine Gegenleistung berücksichtigt. Bei Eintritt der Bedingung ist der Schenkungsteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu berichtigen und entweder der Freibetrag oder die Gegenleistung steuermindernd in Abzug zu bringen.
Rz. 75
Auslagen des Begünstigten im Zusammenhang mit Pflege- oder Unterhaltsleistungen sind mit der Gewährung des Freibetrages nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG grds. abgegolten und können nicht zusätzlich bereicherungsmindernd in Abzug gebracht werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Begünstigte einen Auslagenersatzanspruch aufgrund eines nachgewiesenen Geschäftsbesorgungsvertrages nach § 670 BGB hat (Gegenleistung), der als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) abzugsfähig ist.
Rz. 76
Zu c): Der Freibetrag wird nicht nur der Höhe nach, sondern auch durch die Frage der Angemessenheit eingeschränkt. Die Zuwendung an den Leistenden muss ein angemessenes Entgelt darstellen. Dies richtet sich nach Art und Umfang der erbrachten Unterhalts- bzw. Pflegeleistungen, deren Wert nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen ist. Den Erwerber trifft insoweit die Feststellungslast. Nach Ansicht des BFH ist aber bei der Frage, ob und inwieweit die tatsächlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind, ein großzügiger Maßstab anzulegen. Es muss folglich in einem ersten Schritt festgestellt werden, welche Pflege- oder Unterhaltsleistungen der Erblasser bzw. Schenk...