1. Grundsätzliche Erwägungen
Rz. 430
§ 13a Abs. 9 ErbStG ermöglicht einen (zusätzlichen) Wertabschlag für typische Familienunternehmen von bis zu 30 % des gemeinen Werts, der noch vor Prüfung der Wertgrenze von 26 Mio. EUR nach § 13a Abs. 1 ErbStG anzuwenden ist und weder den im Übrigen im Rahmen von § 13a ErbStG bestehenden Lohnsummen- noch den Behaltensanforderungen unterliegt. Vor diesem Hintergrund ist die den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Gestaltung von Gesellschaftsverträgen im Regelfall das "Gebot der Stunde".
Rz. 431
Im Hinblick darauf, dass nach der gesetzlichen Vorgabe die in § 13a Abs. 9 ErbStG genannten Vertragsbedingungen wenigstens zwei Jahre vor dem Übertragungsstichtag (Erbfall oder Schenkung) implementiert sein müssen, empfiehlt es sich, die Überarbeitung/Anpassung der Gesellschaftsverträge so rasch als möglich in Angriff zu nehmen.
2. Entnahmebeschränkungen
Rz. 432
Dessen ungeachtet sollte aber im Vorfeld geprüft werden, ob die neu aufzunehmenden Vertragsklauseln auch tatsächlich den Bedürfnissen der betroffenen Gesellschafter genügen. Dies gilt insb. im Hinblick auf die Entnahmebeschränkungen, die sich – anders als Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen – sozusagen ständig auswirken (also das tägliche Leben beeinflussen) und nicht nur in bestimmten Einzelfällen.
Soweit bei Personengesellschaften erhebliche Guthaben auf variablen Kapitalkonten (die Eigenkapitalcharakter haben) bestehen, ist zu erwägen, diese ganz oder teilweise in Fremdkapital umzuwandeln, so dass sie aus dem künftigen Anwendungsbereich der Entnahmebeschränkungen herausgehalten werden. Denn die Rückzahlung von Fremdkapital stellt – auch wenn es sich bei dem Gläubiger um einen Gesellschafter handelt – m.E. keine Entnahme i.S.v. § 13a Abs. 9 ErbStG dar.
Rz. 433
Allerdings ist hierbei auch zu prüfen, ob sich evtl. Nachteile bei der Ermittlung des Werts des Verwaltungsvermögens ergeben könnten. Denn im Rahmen der gesellschafterbezogenen Bestimmung des Verwaltungsvermögens wäre der auf Fremdkapital umgebuchte Teil des Eigenkapitals beim jeweiligen Gesellschafter als Forderung (im SBV) i.S.v. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG zu berücksichtigen. Dieser würde zwar (anteilig) die Verbindlichkeit auf Ebene der Gesellschaft gegenüberstehen. Zu einer vollständigen Saldierung kommt es aber nur, wenn alle Gesellschafter entsprechend ihren Beteiligungsquoten Darlehensforderungen gegenüber der Gesellschaft haben. Außerdem ist zu beachten, dass vom Sonderbetriebsvermögen kein Vorwegabschlag vorgenommen werden kann, weil dieses (als persönliches Eigentum des Gesellschafters) den gesellschaftsvertraglichen Bindungen gerade nicht unterliegt.
Rz. 434
Schließlich ist zu bedenken, dass bei früherer Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigungen (§ 34a EStG) die zur Umwidmung des Guthabens in ein Darlehen erforderliche Entnahme mit Einkommensteuerbelastungen verbunden sein kann.
Rz. 435
Auch bei Kapitalgesellschaft können ähnliche Überlegungen angebracht sein: Hier geht es zwar nicht um variable Kapitalkonten, aber doch um (freiwillige) Rücklagen. Deren Ausschüttung dürfte allerdings im Regelfall mit erheblichen Einkommensteuerbelastungen verbunden sein und führt außerdem dazu, dass es sich bei dem ausgeschütteten Guthaben anschließend um Privatvermögen handelt, dass von sämtlichen erbschaftsteuerlichen Privilegierungen ausgeschlossen ist.
Rz. 436
Festzuhalten bleibt aber in jedem Fall, dass bereits absehbarer Liquiditätsbedarf der Gesellschafter befriedigt werden sollte, bevor gesellschaftsvertragliche Entnahmebeschränkungen vereinbart bzw. wirksam werden.
3. Verfügungsbeschränkungen
Rz. 437
Analog zu den soeben dargestellten Überlegungen sollte auch die Gesellschafterstruktur im Vorfeld irgendwelcher Vertragsänderungen unter die Lupe genommen werden. Dabei gilt es nicht nur, die aktuellen Verhältnisse zu prüfen, sondern vor allem zu überlegen, wie sich der Gesellschafterkreis in Zukunft zusammensetzen soll.
Rz. 438
Besteht beispielsweise die Absicht, die aktuell bestehende Gesellschaft ganz oder teilweise auf eine oder mehrere Familienholdinggesellschaften zu übertragen, so muss dies vor der Gesellschaftsvertragsänderung geschehen, da dies über den nach § 13a Abs. 9 ErbStG gesteckten (engen) Rahmen der zulässigen Verfügungen hinausginge. Bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags der Familienholding sollten im Übrigen (auch) die Vorgaben des § 13a Abs. 9 ErbStG eingehalten werden, um stets auf der höchsten Beteiligungsebene die Voraussetzungen für den Wertabschlag zu erfüllen.
4. Abfindungsbeschränkungen
Rz. 439
§ 13a Abs. 9 ErbStG fordert eine Beschränkung von Abfindungsansprüchen auf einen Betrag unter dem gemeinen Wert des Anteils des Abzufindenden. Der gemeine Wert i.S.v. § 9 BewG sollte zwar im Regelfall (mehr oder weniger) dem Verkehrswert entsprechen. Im Zweifel ist aber allein der gemeine Wert maßgeblich. Vor diesem Hintergrund wäre es – allein unter erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten – empfehlenswert, eben diesen gemeinen Wert auch im Gesellschaftsvert...