Rz. 80

Mit dieser Steuerbefreiung soll eine mehrfache Besteuerung desselben Vermögens verhindert werden. Fällt zunächst im Wege der Schenkung bzw. eines Übergabevertrages auf Abkömmlinge übertragenes Vermögen an die Eltern bzw. Voreltern von Todes wegen zurück, wird dieser Rückerwerb über § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG steuerfrei gestellt. Im Einzelnen gilt:

 

Rz. 81

a) Es muss sich um einen Rückerwerb von Todes wegen aufgrund gesetzlicher oder testamentarischer Erbfolge handeln. Die sog. Rückschenkung wird nach dem Gesetzeswortlaut nicht erfasst.[151] Für solche Fälle ist zwingend auf im Schenkungsvertrag vereinbarte Widerrufsvorbehalte oder Rückfallklauseln (vgl. § 29 ErbStG Rdn 11 ff.) zurückzugreifen.

 

Rz. 82

b) Der zurückfallende Gegenstand muss zuvor durch Schenkung oder einen Übergabevertrag im Rahmen vorweggenommener Erbfolge (u.U. auch mit einer Gegenleistung verbunden) auf den Abkömmling übertragen worden sein. Inwieweit dieser Vorgang eine Schenkungsteuer ausgelöst hat, ist irrelevant. Die Schenkung bzw. der Vermögensübergabevertrag müssen jedoch wirksam gewesen sein.[152]

 

Rz. 83

c) Der zurückfallende Gegenstand muss mit dem übertragenen Gegenstand identisch sein. Wertsteigerungen des geschenkten Vermögens, die ausschließlich auf der wirtschaftlichen Entwicklung beruhen, sollen nach Ansicht der Finanzverwaltung einer Steuerfreiheit nicht entgegenstehen. Etwas anderes soll aber dann gelten, wenn der Wert durch den Einsatz von Kapital oder Arbeit seitens des Beschenkten erhöht wurde,[153] wie z.B. bei der Errichtung eines Gebäudes auf dem geschenkten Grundstück oder der Mitarbeit des Abkömmlings in der Personengesellschaft, deren Anteil er schenkweise erhalten hat.[154] BFH und Finanzverwaltung behandeln darüber hinaus die aus dem Gegenstand gezogenen Früchte (§ 99 BGB) wie auch die aus diesen Früchten erworbene Gegenstände bei einem Rückfall als nicht befreit.[155]

 

Rz. 84

Dem Identitätserfordernis genügen Surrogate grds. nicht, die im Austausch mit dem zugewendeten Gegenstand erworben werden. Denn diese verkörpern lediglich den Wert des zugewendeten Gegenstandes.[156] Eine Ausnahme soll nach Ansicht der Finanzverwaltung nur dann gelten, wenn zwischen dem zugewendeten und dem zurückfallenden Vermögensgegenstand bei objektiver Betrachtung Art- und Funktionsgleichheit besteht.[157] Dies kann u.a. dann der Fall sein, wenn dem Beschenkten anstelle des geschenkten Grundstücks über ein Flurbereinigungsverfahren ein anderes (Ersatz-)Grundstück zugewiesen wird oder bei einem Formwechsel von Kapitalgesellschaften.[158]

 

Rz. 85

d) Der Rückfall, auch mittelbar in Form der Nacherbschaft, ist nur steuerbefreit, soweit er an den ursprünglichen Schenker erfolgt. Hier ist bei Schenkungen von Ehegatten streng zu differenzieren: Erfolgte die Schenkung durch nur einen Ehegatten,[159] ist auch nur der Rückfall an diesen über § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG steuerfrei, nicht jedoch ein evtl. hälftiger Anfall im Rahmen der Erbschaft an den anderen Ehegatten.

 

Beispiel

Der mit E verheiratete A schenkt seinem Sohn B zu Lebzeiten das im Alleineigentum des A stehende Mietwohngrundstück im Steuerwert von 500.000 EUR. Bei einem Verkehrsunfall verstirbt der nicht verheiratete und kinderlose B. Ein Testament ist nicht zu finden. Das Grundstück fällt von Todes wegen jeweils hälftig A und E als gesetzliche Erben des B an. Nur der hälftige Rückerwerb durch A ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG steuerfrei. E muss den Anteil in Höhe von 250.000 EUR als Bereicherung der Steuer unterwerfen.

Stellt in diesen Fällen das zurückgefallene Vermögen die wesentliche Erbmasse dar und liegt der Steuerwert oberhalb der persönlichen Freibeträge, kommt es bei dem anderen Ehegatten mangels Eingreifen von § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG zu einer Erbschaftsteuerlast. Im Einzelfall kann daher die Ausschlagung des Erbes zugunsten des von § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG begünstigten Ehegatten geboten sein, um auf diese Weise evtl. eine vollständige Steuerfreistellung zu erreichen. Denn die Steuerbefreiung aufgrund des Vermögensrückfalls ist nicht an eine Obergrenze gebunden, sondern stellt das zurückfallende Vermögen vollständig steuerfrei.

[151] R E 13.6 Abs. 1 ErbStR 2019; krit. dazu Meincke/Hannes/Holtz, § 13 Rn 53.
[152] Meincke/Hannes/Holtz, § 13 Rn 56.
[153] R E 13.6 Abs. 2 S. 4 f. ErbStR 2019.
[154] Krit. Wolf, DStR 1988, 563 ff.: unter Hinweis auf das Stehenlassen von Gewinnen; ausdrücklich BFH v. 22.6.1994 – II R 13/90, BStBl II 1994, 759; BVerfG v. 28.10.1997 – 1 BvR 1644/94, HFR 1998, 127: keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
[155] R E 13.6 Abs. 2 S. 6 ErbStR 2019; BFH v. 22.6.1994 – II R 13/90, BStBl II 1994, 759.
[157] R E 13.6 Abs. 2 S. 3 ErbStR 2019. Dazu auch Hess. FG v. 11.4.1989 – X 182–183/82, EFG 1989, 518 zum Anspruch auf Auskehrung einer Lebensversicherungssumme.
[158] Viskorf/Viskorf, § 13 ErbStG Rn 66; Jülicher, in: Tro...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge