Gerhard Sievert, Ulrich Gohlisch
Gesetzestext
(1) Bei der Ermittlung des Gebäudesachwerts ist von den Regelherstellungskosten des Gebäudes auszugehen. Regelherstellungskosten sind die gewöhnlichen Herstellungskosten je Flächeneinheit. Durch Multiplikation der jeweiligen nach Absatz 2 an den Bewertungsstichtag angepassten Regelherstellungskosten mit der Brutto-Grundfläche des Gebäudes ergibt sich der Gebäuderegelherstellungswert. Die Regelherstellungskosten sind in der Anlage 24 enthalten.
(2) Die Anpassung der Regelherstellungskosten erfolgt anhand der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Baupreisindizes. Dabei ist auf die Preisindizes für die Bauwirtschaft abzustellen, die das Statistische Bundesamt für den Neubau in konventioneller Bauart von Wohn- und Nichtwohngebäuden jeweils als Jahresdurchschnitt ermittelt. Diese Preisindizes sind für alle Bewertungsstichtage des folgenden Kalenderjahres anzuwenden. Das Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht die maßgeblichen Baupreisindizes im Bundessteuerblatt.
(3) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlage 24 zu diesem Gesetz dadurch zu ändern, dass es die darin aufgeführten Regelherstellungskosten nach Maßgabe marktüblicher gewöhnlicher Herstellungskosten aktualisiert, soweit dies zur Ermittlung des gemeinen Werts erforderlich ist.
(4) Vom Gebäuderegelherstellungswert ist eine Alterswertminderung abzuziehen. Diese wird regelmäßig nach dem Verhältnis des Alters des Gebäudes am Bewertungsstichtag zur wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer nach Anlage 22 bestimmt. Sind nach Bezugsfertigkeit des Gebäudes Veränderungen eingetreten, die die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes verlängert haben, ist von einem entsprechenden späteren Baujahr auszugehen. Bei bestehender Abbruchverpflichtung für das Gebäude ist bei der Ermittlung der Alterswertminderung von der tatsächlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes auszugehen. Der nach Abzug der Alterswertminderung verbleibende Gebäudewert ist regelmäßig mit mindestens 30 Prozent des Gebäuderegelherstellungswerts anzusetzen.
Gesetzesbegründung: BT-Drucks 16/11107, S. 19–20
Verwaltungsanweisung: R B 190.1–190.8 ErbStR 2019 v. 16.12.2019, BStBl I 2019, Sondernummer 1/2019, S. 2
BMF Schreiben v. 11.1.2016 – IV C 7 – S 3225 / 16/10001, 2016/00 18131, FMNR 00c00016.
A. Allgemeines
Rz. 1
§ 190 BewG wurde durch Art. 9 Nr. 3 Steueränderungsgesetz 2015 vom 2.11.2015 neu gefasst und wurde für Bewertungsstichtage ab 1.1.2016 von zuvor zwei auf vier Absätze erweitert und damit an die Sachwertrichtlinie vom 5.9.2012 angepasst. Die Vorschrift regelte die Ermittlung des Gebäudesachwerts für die Wertermittlung bebauter Grundstücke im Sachwertverfahren. Mit Wirkung vom 1.1.2022 ist die neue Immobilienwertermittlung (manifestiert in der Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Immobilien und der für die Wertermittlung erforderlichen Daten) in Kraft getreten und ersetzt die Immobilienwertermittlungsverordnung von 2010 und die verschiedenen Richtlinien (so auch die Sachwertrichtlinie). Das Sachwertverfahren ist auch bei der üblichen Verkehrswertermittlung ein anerkanntes Standardbewertungsverfahren. Für Erbschaft- und Schenkungsteuerzwecke wird eine vereinfachte Version vorgeschrieben. Zwingend vorgeschrieben wird es nach § 182 Abs. 4 Nr. 3 BewG nur bei "sonstigen bebauten Grundstücken", ansonsten kommt es nur nachrangig nach dem Vergleichs- oder Ertragswertverfahren zur Anwendung. Ein optisches Bewertungsschema zum Sachwertverfahren ist in H B 189 ErbStH 2019 dargestellt.
B. Tatbestand
I. Absatz 1
1. Ermittlung des Gebäudesachwerts
Rz. 2
Genau genommen wird im bewertungsrechtlichen Sachwertverfahren nur der Gebäudewert nach dem Sachwertverfahren ermittelt. Vereinfacht dargestellt, wird der Gebäudesachwert durch die Multiplikation der Bruttogrundfläche mit den für das Gebäude in Anlage 24 zum BewG angegebenen Regelherstellungskosten (RHK) errechnet.
Rz. 3
Die Regelherstellungskosten sind aus Anlage 24 ersichtlich. Hier erfolgt im Gegensatz zu Stichtagen vor dem 1.1.2016 nicht mehr eine Grobeinteilung der Baujahre. Insoweit liegt eine Vereinfachung vor. Bautechnische Merkmale müssen differenziert dem Bewertungsobjekt zugeordnet werden (z.B. muss eine Differenzierung danach erfolgen, ob ein Dachgeschoss ausgebaut oder nicht ausgebaut ist bzw. ob ein Flachdach existiert; die Unterscheidung, ob ein Keller vorhanden ist oder nicht, muss ebenfalls getroffen werden). Auch ist eine Unterscheidung zu treffen, ob nur ein Erdgeschoss oder auch ein Obergeschoss vorhanden ist. Außerdem ist bei Einfamilienhäusern danach zu unterscheiden, ob es sich
a) |
um ein freistehendes Einfamilienhaus oder |
b) |
um ein Doppel- bzw. Reihenendhaus oder |
c) |
um ein Reihenmittelhaus |
handelt.
Rz. 4
Der Ausstattungsstandard spielt eine signifikante Rolle. Es sind fünf verschiedene Standardstufen in Betracht zu ziehen. Neben den Normalherstellu...