Gerhard Sievert, Ulrich Gohlisch
Gesetzestext
Ist das Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, sind die Werte für die wirtschaftliche Einheit Erbbaurecht (§ 193) und für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks (§ 194) gesondert zu ermitteln. Mit der Bewertung des Erbbaurechts (§ 193) ist die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses und mit der Bewertung des Erbbaurechtsgrundstücks (§ 194) ist das Recht auf den Erbbauzins abgegolten; die hiernach ermittelten Grundbesitzwerte dürfen nicht weniger als 0 Euro betragen.
Gesetzesbegründung: BT-Drucks 16/11107, S. 24; BT-Drucks 17/7524, S. 24.
Verwaltungsanweisung: R B 192.1 und 192.2 ErbStR 2019 v. 16.12.2019, BStBl I 2019, Sondernummer 1/2019.
A. Allgemeines
Rz. 1
§ 192 BewG regelt die Bewertung bei inländischen Grundstücken, die mit einem Erbbaurecht belastet sind, in der Weise, dass das Erbbaurecht (wie eine wirtschaftliche Einheit eines Grundstücks) und das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück (Erbbaugrundstück) getrennt voneinander gesondert zu ermitteln sind. Das Erbbaurecht wird erbschaftsteuerlich wie ein Grundstück (und nicht wie ein dingliches Recht an einem Grundstück) behandelt. Mit dem Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde für Bewertungsstichtage nach dem 13.12.2011 eindeutig geregelt, wie die Erbbauzinsverpflichtung und die Erbbauzinsforderung zu berücksichtigen sind. Es wurde eine gesetzliche Klarstellung in der Form vorgenommen, dass die Erbbauzinsverpflichtung durch die Bewertung des Erbbaurechts abgegolten ist; die Erbbauzinsforderung ist durch die Bewertung des Erbbaurechtsgrundstücks abgegolten. Zur Behandlung von im Erbbaurecht überlassenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen siehe Erlass der OFD Nordrhein-Westfalen.
B. Vorliegen eines Erbbaurechts
Rz. 2
Ob und inwieweit ein Erbbaurecht besteht, ergibt sich nach dem Zivilrecht (Gesetz über das Erbbaurecht). Im Nachlass kann es sich nur befinden, wenn es im Grundbuch eingetragen ist. Dabei wird von Amts wegen ein besonderes Grundbuchblatt (Erbbaugrundbuch) angelegt. Im Grundstücksgrundbuch wird das Erbbaurecht in Abteilung II eingetragen. Wird ein Erbbaurecht geschenkt, ist die Schenkung schon dann ausgeführt, wenn an dem Grundstück durch notariellen Vertrag ein Erbbaurecht bestellt worden ist und die Vertragsparteien in der Lage sind, die Eintragung im Grundbuch zu bewirken.
Rz. 3
Bei mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücken sind zwei selbstständige wirtschaftliche Einheiten gegeben, zum einen das Erbbaurecht (gem. § 176 Abs. 1 Nr. 2 BewG eine wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens), zum anderen das belastete Grundstück (vgl. R B 192.1 Abs. 1 S. 2 ErbStR 2019). Selbiges gilt für das Wohnungserbbaurecht und das Teilerbbaurecht als wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens gem. § 176 Abs. 1 Nr. 3 BewG. Letztere sind in § 30 Abs. 1 WEG wie folgt definiert:
Steht ein Erbbaurecht mehreren gemeinschaftlich nach Bruchteilen zu, so können die Anteile in der Weise beschränkt werden, dass jedem der Mitberechtigten das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem auf Grund des Erbbaurechts errichteten oder zu errichtenden Gebäude eingeräumt wird (Wohnungserbbaurecht, Teilerbbaurecht).
Das hat auch der BFH in seinem Urteil vom 26.8.2020 bestätigt. Miteigentumsanteile an einem Grundstück, das mit drei Wohn- und Geschäftshäusern und einer Tiefgarage bebaut ist und bei dem mit jedem Anteil am Erbbaurecht das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung (Wohnungserbbaurecht) bzw. an bestimmten nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen (Teilerbbaurecht) verbunden ist, sind nach der Verkehrsauffassung als mehrere wirtschaftliche Einheiten zu qualifizieren. Durch eine solche Konstellation ist die ursprüngliche wirtschaftliche Einheit des Erbbaugrundstücks nicht mehr existent; sie ist in eine entsprechende Anzahl an Wohnungs- und Teilerbbaurechten zerfallen. Mit jedem dieser Wohnungs- oder Teilerbbaurechte korrespondiert eine wirtschaftliche Einheit in Gestalt des anteiligen Erbbaugrundstücks.
Rz. 4
Der Grundbesitzwert für das Erbbaurecht oder das Erbbaurechtsgrundstück darf nicht weniger als 0 EUR betragen. Dies gilt für Bewertungsstichtage nach dem 13.12.2011 (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz). Zuvor konnten auch negative Werte entstehen.
C. Verfahrensfragen
Rz. 5
Gem. § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Nr. 1 BewG sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die Erbschaftsteuer von Bedeutung sind. Gegenstand der Bewertung sind dabei die wirtschaftlichen Einheiten des Grundverm...