Gesetzestext
(1) Mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile werden in der Weise zusammengerechnet, daß dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Von der Steuer für den Gesamtbetrag wird die Steuer abgezogen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Anstelle der Steuer nach Satz 2 ist die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist. Die Steuer, die sich für den letzten Erwerb ohne Zusammenrechnung mit früheren Erwerben ergibt, darf durch den Abzug der Steuer nach Satz 2 oder Satz 3 nicht unterschritten werden. Erwerbe, für die sich nach den steuerlichen Bewertungsgrundsätzen kein positiver Wert ergeben hat, bleiben unberücksichtigt.
(2) Führt der Eintritt eines Ereignisses mit Wirkung für die Vergangenheit zu einer Veränderung des Werts eines früheren, in die Zusammenrechnung nach Absatz 1 einzubeziehenden Erwerbs, gilt dies auch für den späteren Erwerb als Ereignis mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Abgabenordnung (rückwirkendes Ereignis). Für den späteren Erwerb gelten auch der erstmalige Erlass, die Änderung und die Aufhebung eines Steuerbescheids für einen früheren, in die Zusammenrechnung einzubeziehenden Erwerb als rückwirkendes Ereignis. Dasselbe gilt auch, soweit eine Änderung der Steuerfestsetzung für den früheren Erwerb lediglich zu einer geänderten anrechenbaren Steuer führt.
(3) Die durch jeden weiteren Erwerb veranlaßte Steuer darf nicht mehr betragen als 50 Prozent dieses Erwerbs.
A. Allgemeines
Rz. 1
Der Gesetzgeber verhindert mit § 14 ErbStG durch Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe von derselben Person, dass durch das Aufteilen (Stückeln) von unentgeltlichen Erwerben (innerhalb von 10 Jahren) eine mehrfache Gewährung der persönlichen Freibeträge und/oder ein Progressionsvorteil durch niedrigere Steuersätze erlangt werden kann. Nach § 14 ErbStG werden mehrere innerhalb von 10 Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile wie ein Erwerb besteuert. Auf die zusammengerechneten stpfl. Erwerbe i.S.d. § 10 ErbStG der letzten 10 Jahre wird der Steuersatz und der Freibetrag angewendet, der für den (Letzt-)Erwerb nach §§ 19, 19a ErbStG unter Berücksichtigung von §§ 21, 22, 26, 27 ErbStG aktuell anzuwenden ist. Die Regelung ist gleichermaßen auf den Erwerb von In- und Auslandsvermögen anzuwenden. Die auf den/die Vorerwerb/e entfallende Steuer wird angerechnet.
Beispiel
Vater V schenkt dem Sohn S im Jahre 2016 Vermögen im Werte von 500.000 EUR. 2020 verstirbt V und hinterlässt S weiteres Vermögen von 600.000 EUR.
Würde man die beiden Vorgänge getrennt behandeln, würden nach Abzug der persönlichen Freibeträge von 400.000 EUR bei der Schenkung in 2016 11 % von 100.000 EUR = 11.000 EUR und beim Erbfall in 2020 unter Berücksichtigung des Freibetrages in der Höhe von 400.000 EUR 11 % von 200.000 EUR = 22.000 EUR, zusammen 33.000 EUR Steuern anfallen. Durch die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG werden beide Erwerbe als ein Erwerb i.H.v. 1.100.000 EUR behandelt. Es wird nur einmal der Freibetrag von 400.000 EUR abgezogen. Die 700.000 EUR sind mit 19 % zu versteuern (1.100.000 EUR ./. 400.000 EUR Freibetrag = 700.000 EUR x 19 % = 133.000 EUR). Die für den Erwerb von 2016 angefallene tatsächliche Steuer wird angerechnet (133.000 EUR ./. 11.000 EUR), zu zahlen für 2020 = 122.000 EUR.
Rz. 2
Die einzelnen Erwerbe unterliegen als selbstständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer (trotz der Zusammenrechnungsregelung in § 14 ErbStG). Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines 10-Jahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Regelung des § 14 ErbStG trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des 10-Jahreszeitraums festzusetzen ist. Die einzelnen Erwerbe bleiben selbstständige steuerpflichtige Vorgänge mit allen materiell- und formalrechtlichen Folgen, z.B. Steuerfestsetzungen für Vorerwerbe bleiben unberührt, ein (Vor-)Erwerb muss angezeigt werden, auch wenn innerhalb von 10 Jahren weitere Erwerbe von derselben Person folgen sollen.
Hinweis: Es ist nicht missbräuchlich, Zuwendungen/Erwerbe zeitlich so auszuführen, dass sie jeweils nach Ablauf von 10 Jahren erfolgen (Schenkung im 10-Jahresturnus); siehe noch Rdn 7 ff. Ebenfalls nicht missbräuchlich ist es, z.B. Vermächtnisse in der Weise auszusetzen, dass der Vermächtnisnehmer mehrere Vermächtnisse im Abstand von je 10 Jahren und damit mehrfach nach dem Tod des Erblassers den Freibetrag im Verhältnis zum Erblasser erhält.
Beispiel
Vater setzt seine jüngere Frau als Alleinerbin ein und vermacht seinem Kind u.a. ein zeitli...