Gesetzestext
(1) Fällt Personen der Steuerklasse I von Todes wegen Vermögen an, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist und für das nach diesem Gesetz eine Steuer zu erheben war, ermäßigt sich der auf dieses Vermögen entfallende Steuerbetrag vorbehaltlich des Absatzes 3 wie folgt:
um … |
wenn zwischen den beiden Zeitpunkten der |
Prozent |
Entstehung der Steuer liegen |
50 |
nicht mehr als 1 Jahr |
|
45 |
mehr als 1 Jahr, aber nicht mehr als |
2 Jahre |
40 |
mehr als 2 Jahre, aber nicht mehr als |
3 Jahre |
35 |
mehr als 3 Jahre, aber nicht mehr als |
4 Jahre |
30 |
mehr als 4 Jahre, aber nicht mehr als |
5 Jahre |
25 |
mehr als 5 Jahre, aber nicht mehr als |
6 Jahre |
20 |
mehr als 6 Jahre, aber nicht mehr als |
8 Jahre |
10 |
mehr als 8 Jahre, aber nicht mehr als |
10 Jahre |
(2) Zur Ermittlung des Steuerbetrags, der auf das begünstigte Vermögen entfällt, ist die Steuer für den Gesamterwerb in dem Verhältnis aufzuteilen, in dem der Wert des begünstigten Vermögens zu dem Wert des steuerpflichtigen Gesamterwerbs ohne Abzug des dem Erwerber zustehenden Freibetrags steht.
(3) Die Ermäßigung nach Absatz 1 darf den Betrag nicht überschreiten, der sich bei Anwendung der in Absatz 1 genannten Prozentsätze auf die Steuer ergibt, die der Vorerwerber für den Erwerb desselben Vermögens entrichtet hat.
A. Allgemeines
Rz. 1
§ 27 ErbStG ist als gesetzliche Billigkeitsregelung zu verstehen. Mehrfache Erwerbe von ein und derselben Person innerhalb von 10 Jahren können durch Kumulierung der Besteuerung ggf. einen Großteil des Erwerbs aufzehren. Dies wird durch § 27 ErbStG – allerdings nur für Erwerbe von Personen, die der Steuerklasse I zuzuordnen sind – abgemildert. Die Regelung betrifft nur (Letzt-)Erwerbe von Todes wegen. Steuertechnisch wird die Abmilderung durch eine Steuerermäßigung der beim zweiten Erwerb zu erhebenden Steuer – von Amts wegen – vorgenommen. Die Ermäßigung setzt voraus, dass der Erst- und der Letzterwerb steuerpflichtig sind. Die Ermäßigungsregelung des § 27 ErbStG erfasst nur Erwerbe innerhalb der engeren Familie, also von Angehörigen der Steuerklasse I. Nach dem die Steuersätze der Steuerklassen II und III ab 2009 – wenn auch ab 2010 abgestuft (siehe dazu § 19 ErbStG Rdn 1) – drastisch angehoben worden sind, ist es m.E. nicht vertretbar, entsprechende Erwerbe aus der Ermäßigungsregelung des § 27 ErbStG herauszuhalten.
B. Tatbestand
I. Absatz 1
Rz. 2
Tatbestandvoraussetzungen für die Anwendung der Ermäßigung sind:
a) |
Erwerbe von Todes wegen |
b) |
von Person der Steuerklasse I |
c) |
für dasselbe Vermögen |
d) |
innerhalb von 10 Jahren. |
1. Erwerb von Todes wegen
Rz. 3
Ermäßigt wird der Zweiterwerb, d.h. der aktuelle Letzterwerb, der nach Steuerklasse I zu besteuern ist. Nur der zu ermäßigende Zweiterwerb, aber nicht der Erst- bzw. Vorerwerb, muss ein Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 ErbStG sein. Da erst zum Zeitpunkt des zweiten Erwerbs beurteilt werden kann, ob die maßgebenden Zeiten der Tabelle in § 27 Abs. 1 ErbStG unterschritten sind, wäre eine Vergünstigung bei einem Vorerwerb in Anlehnung an diese Vorschrift eine Verkehrung des Systems. Was ein Erwerb von Todes wegen ist und ob ein solcher vorliegt, ergibt sich aus § 3 ErbStG. Nach § 3 ErbStG liegt ein Erwerb von Todes wegen auch in vielen anderen Fällen als bei Tod des Erblassers vor, z.B. bei Erwerb einer Abfindung für den Verzicht auf ein Vermächtnis. Näheres zu den Erwerben von Todes wegen siehe Erläuterungen zu § 3 ErbStG. Nach BFH v. 25.9.2018 kann der Rechtsgedanke des § 27 ErbStG nicht im Billigkeitswege herangezogen werden. Durch eine Billigkeitsregelung darf die ausdrückliche gesetzliche Beschränkung auf die Personen der Steuerklasse I nicht umgangen werden. Im Rahmen von Schenkungen (§ 7 ErbStG) ist § 27 ErbStG entsprechend dem Gesetzeswortlaut nicht anzuwenden.
2. Erwerber der Steuerklasse I
Rz. 4
Der Erwerb von Todes wegen muss von Personen (Letzterwerbern) erfolgen, die nach dem Verhältnis zu ihrem unmittelbaren Erblasser im Steuerentstehungszeitpunkt der Steuerklasse I zuzuordnen sind. Bei eingetragenen Lebenspartnern gibt es die Steuerermäßigung, da sie rückwirkend der Steuerklasse I zugeordnet worden sind (zur Steuerklasseneinteilung siehe § 15 ErbStG Rdn 2 f.). Die Ermäßigungsregelung des § 27 ErbStG erfasst nur Erwerbe innerhalb der engeren Familie. Eine Anwendung ...