Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die von dem geschiedenen Ehemann begehrte Abänderung des titulierten nachehelichen Unterhalts, dessen Reduzierung und Befristung er begehrte. Der BGH hat in seiner Entscheidung die Grundsätze zur sekundären Darlegungslast bei der Beurteilung ehebedingter Nachteile konkretisiert.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um die Abänderung eines Titels über nachehelichen Unterhalt. Der 1954 geborene Kläger und die 1957 geborene Beklagte hatten im Jahre 1977 geheiratet. Aus ihrer Ehe waren drei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen. Die Trennung der Parteien erfolgte im April 1997. Die Ehe war seit August 1999 rechtskräftig geschieden.
Die Beklagte hatte nach dem Hauptschulabschluss eine Lehre als Damenschneiderin abgeschlossen. Während der Ehe war sie Hausfrau und nicht erwerbstätig. Nach der Ehescheidung war sie in Teilzeit als Kommissioniererin in einem Bekleidungsunternehmen beschäftigt und wurde aufgrund einer erst im Jahre 2004 aufgetretenen Krebserkrankung zu 50 % schwerbehindert.
Der Kläger war Tischlermeister und als Gesellschafter-Geschäftsführer zu 25 % an einer GmbH beteiligt, die Innenausbau betrieb. Außerdem war er Mitgesellschafter einer Grundstücks-GbR, die ein Gewerbegrundstück an die GmbH vermietet hatte und inzwischen auseinandergesetzt war. Seit Januar 2008 war er u.a. an einer rezidivierenden depressiven Störung erkrankt und bezog seit September 2008 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Als Geschäftsführer der GmbH war er inzwischen abberufen, das Anstellungsverhältnis war gekündigt worden.
In dem vorliegenden Abänderungsverfahren begehrte der Kläger die Reduzierung und Befristung des Unterhalts.
Das AG hat den Unterhalt herabgesetzt und eine Befristung abgelehnt. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den Unterhalt - u.a. gemäß § 1578b Abs. 1 BGH - weiter auf zuletzt monatlich 150,00 EUR ab Januar 2011 herabgesetzt und ebenso wie das AG eine Befristung abgelehnt. Dagegen wandte sich der Kläger mit der zugelassenen Revision, die zur Aufhebung und Zurückverweisung führte.
Entscheidung
Der BGH hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache zur Ermöglichung weiterer tatrichterlicher Feststellungen hinsichtlich etwaiger ehebedingter Nachteile der Beklagten an das OLG zurückverwiesen, damit die nach § 1578b BGB erforderliche umfassende Billigkeitsabwägung erfolgen könne. Hierbei hat er unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung bekräftigt und bestätigt, dass die Beklagte die sekundäre Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen ihrer ehebedingten Nachteile trage und im Übrigen festgestellt, dass es im vorliegenden Fall an konkreten Darlegungen mangele.
Der BGH hat ferner gerügt, dass die Feststellung des Berufungsgerichts, das ehebedingte Nachteile nicht ausgeschlossen werden könnten und die Möglichkeit offen bleibe, dass die Chancen der Beklagten im Erwerbsleben ohne Ehe und Kinderbetreuung besser wären, als sie tatsächlich seien, als Annahme in dieser Allgemeinheit durch den bisherigen Sachvortrag nicht gedeckt seien. Vielmehr hätte es eines substantiierten Vorbringens der Beklagten bedurft, welche berufliche Entwicklung sie ohne die Eheschließung geplant oder zu erwarten gehabt hätte. Danach hätte die Beklagte im Rahmen der ihr auferlegten sekundären Darlegungslast die Gründe für die verpassten Erwerbschancen nicht hinreichend konkret vorgetragen. Gegen ihren beruflichen Aufstieg spreche zudem, dass sich der Arbeitsmarkt in der Textilindustrie in der Vergangenheit verschlechtert habe. Darüber hinaus seien die gesundheitlichen Einschränkungen der Beklagten nicht ehebedingt gewesen.
Beim Fehlen ehebedingter Nachteile sei zum einen zu prüfen, ob die von der Beklagten selbst erzielten Einkünfte i.H.v. 950,00 EUR nicht bereits dem angemessenen Lebensbedarf der Beklagten entsprächen. Zum anderen müsse berücksichtigt werden, dass von einer Begrenzung des (Krankheits-)Unterhalts auch wegen einer über die Kompensation ehebedingter Nachteile hinausgehenden nachehelichen Solidarität abgesehen werden könne.
Hinweis
Der Praktiker hat in jedem Ehegattenunterhaltsverfahren nach § 1578b BGB hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsschuldner zunächst die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der für eine Befristung sprechenden Tatsachen trägt, also auch für den Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten ehebedingte Nachteile nicht entstanden sind.
Es tritt dann eine Darlegungs- und Beweiserleichterung für den Unterhaltspflichtigen ein (sekundäre Darlegungslast). Der Berechtigte muss der Behauptung, ehebedingte Nachteile seien ihm nicht entstanden, substantiiert bestreiten und darlegen, dass und welche konkreten ehebedingten Nachteile ihm entstanden sind.
Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 26.10.2011, XII ZR 162/09