Leitsatz
Der BGH hat sich in dieser Entscheidung damit auseinandergesetzt, welche Voraussetzungen für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen erfüllt sein müssen. Gegenstand der Entscheidung war ferner die Frage der Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils und die Bemessung des noch verbleibenden Betreuungsunterhalts. Ferner ging es um die mögliche Begrenzung des Billigkeitsunterhalts der Höhe nach und die Voraussetzungen der Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 5 BGB.
Sachverhalt
Geschiedene Eheleute stritten um nachehelichen Unterhalt. Sie hatten im Juli 1989 geheiratet und waren im Juni 2004 rechtskräftig geschieden worden. Aus der Ehe waren zwei im Februar 1994 und April 1996 geborene Söhne hervorgegangen. Beide Kinder lebten seit der Trennung der Parteien Ende 2002/Anfang 2003 im Haushalt ihrer Mutter und wurden von ihr betreut. Der ältere Sohn litt seit der Geburt unter ADS, hatte jedoch keine schulischen Probleme und war sportlich aktiv.
Die Klägerin war Krankengymnastin und übte diesen Beruf bis zur Geburt des älteren Sohnes in Vollzeit aus. Nach der Geburt der Kinder nahm sie ihren Beruf zunächst stundenweise wieder auf. Seit 1998 ging sie freiberuflich einer Teilzeitbeschäftigung in einer Gemeinschaftspraxis nach. Ihre wöchentliche Arbeitszeit betrug im Jahre 2005 15 bis 18 Stunden, im Jahre 2006 ca. 20 Stunden. Seit Januar 2007 arbeitete sie 25 bis 30 Stunden wöchentlich. Der Beklagte war als Verwaltungsleiter vollschichtig erwerbstätig. Er begehrte eine Herabsetzung und zeitliche Befristung des Unterhaltsanspruchs.
Erstinstanzlich wurde der Beklagte zur Zahlung nachehelichen Betreuungsunterhalts in zeitlich gestaffelter Höhe, zuletzt für die Zeit ab Februar 2006 i.H.v. monatlich 796,00 EUR verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten - zeitlich gestaffelt - herabgesetzt, zuletzt für die Zeit ab Januar 2008 auf monatlich 405,00 EUR und für die Zeit ab April 2008 auf monatlich 378,00 EUR. Mit der ab Januar 2008 zugelassenen Revision begehrte der Beklagte Abweisung der Klage für die Zeit ab Januar 2006.
Im Rahmen der Zulässigkeit der Revision führte das Rechtsmittel des Beklagten zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Entscheidung
Der BGH verwies zunächst auf die Unzulässigkeit der Revision, soweit sie sich gegen die Verurteilung zu nachehelichem Unterhalt für die Zeit bis Ende 2007 richtete, da das Berufungsgericht die Revision insoweit nicht zugelassen hatte.
Im Übrigen hatte die Revision Erfolg und führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung.
Es sei nicht hinreichend ermittelt worden, ob eine Ganztagsbetreuung der Kinder möglich sei. Weiter enthalte das Urteil des Berufungsgerichts keine Feststellungen dazu, inwieweit sich am Abend nach Rückkehr in die Familienwohnung weiterer Betreuungsbedarf ergebe, der trotz Ganztagsbetreuung der Kinder zu einer eingeschränkten Erwerbsobliegenheit der Kindesmutter führen könne. Eine Befristung des Betreuungsunterhalts habe das Berufungsgericht zu Recht abgelehnt.
Unter Hinweis auf seine Entscheidung vom 18.3.2009 (BGH v. 18.3.2009 - XII ZR 74/08, FamRZ 2009, 770) hat der BGH die Abkehr vom Altersphasenmodell erneut bestätigt und darauf abgestellt, dass zunächst individuell im Rahmen der kindbezogenen Gründe die tatsächliche oder objektiv mögliche Betreuungssituation der Kinder und nachrangig elternbezogene Gründe zu prüfen seien. Das Berufungsgericht habe im Rahmen der kindbezogenen Gründe nicht festgestellt, ob eine kindgerechte Betreuungseinrichtung im näheren Einzugsbereich existiere, um die Betreuung der beiden Kinder ganztags sicherzustellen und einen zusätzlichen Betreuungsbedarf lediglich mit der ADS-Erkrankung begründet. Diese Erkrankung schließe aber nicht grundsätzlich aus, dass eine solche zusätzliche Betreuung nicht auch auswärtig in einer kindgerechten Einrichtung möglich sei.
Im Rahmen der elternbezogenen Gründe sei nicht ausreichend geprüft worden, ob und in welchem Umfang im Fall einer Vollzeitbetreuung der gemeinsamen Kinder noch eine überobligationsmäßige Belastung der Klägerin verbleibe.
Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1578b BGB scheide aus, weil § 1570 BGB als Sonderregelung vorgehe. Lediglich eine Begrenzung des Unterhalts, also die Kürzung auf den angemessenen Bedarf nach der eigenen Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten, sei möglich. Allerdings müsse die notwendige Erziehung und Betreuung gemeinsamer Kinder trotz abgesenkten Unterhaltsbedarfs sichergestellt sein. Bei Nettoeinkünften von monatlich 838,00 EUR zuzüglich des vom OLG zugesprochenen Elementarunterhalts von 202,00 EUR werde der angemessene Unterhalt nach der eigenen Lebensstellung ohne ehebedingte Nachteile nur unwesentlich überschritten.
Zu der von dem Beklagten eingewandten Verwirkung stellte der BGH klar, dass...