Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 558 BGB, § 432 BGB, § 13 WEG, § 14 WEG, § 21 WEG
Kommentar
1. Der wegen Beschädigung von gemeinschaftlichem Eigentum (Hausflur, Treppenhaus) in Anspruch genommene Mieter einer Eigentumswohnung kann sich auch gegenüber deliktischen Ansprüchen ( § 823 BGB) der übrigen Wohnungseigentümer auf die mietgesetzliche Verjährung nach § 558 BGB berufen.
2. Haustür, Flur und Treppe sind zwar nicht eigentlicher Gegenstand eines Wohnungsmietvertrages, an ihnen besteht aber ein Mitbenutzungsrecht des Mieters, so dass auch diese Bauteile und Flächen des Gemeinschaftseigentums mitvermietet sind. Ein Mieter, der wegen Beschädigung der Mietsache in Anspruch genommen wird, kann sich sowohl gegenüber dem vertraglichen als auch dem deliktischen Anspruch ( § 823 BGB) auf die kurze Verjährung des § 558 BGB berufen (BGH, NJW 1992, 1821 und NJW 1987, 187).
Auch wenn ein Miteigentümer ohne einen ermächtigenden Eigentümerbeschluss einen der Gemeinschaft zustehenden Anspruch gegen einen Dritten nicht geltend machen kann (verfestigte BGH-Rechtsprechung), ist er jedoch ohne weiteres befugt, seinen vertraglichen Anspruch gegen den Mieter zu verfolgen, allerdings innerhalb der 6-monatigen Verjährungsfrist des § 558 Abs. 1 BGB.
Ein Mieter kann sich jedoch insoweit auch gegenüber deliktischen Ansprüchen der restlichen Eigentümer auf diese Verjährungsbestimmung berufen (dies wird in der Entscheidung mit der Zielvorstellung des § 558 BGB und extensiver Anwendung dieser Bestimmung begründet). Es handelt sich um konkurrierende Ansprüche aus demselben Sachverhalt (BGH, NJW 1987, 187). Ein Vermieter konnte hier hinsichtlich der Überlassung des Mitgebrauchs am Gemeinschaftseigentum an seinen Mieter auch mit Wirkung für alle übrigen Eigentümer handeln, so dass seinem Verhalten Gesamtwirkung beizumessen ist. Dies ergibt sich bereits aus § 13 WEG, der auch den Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums umfasst. Ein Mieter tritt mit dem Mietverhältnis in das Mitgebrauchsrecht seines Vermieters an gemeinschaftlichen Einrichtungen ein; das Ausmaß der Rechte und Pflichten des Mieters ergibt sich jedoch allein aus dem Mietvertrag mit seinem Vermieter (in der Regel Übertragung des Mitgebrauchs an gemeinschaftlichen Einrichtungen).
Mit Verjährung der Ersatzansprüche des vermietenden Wohnungseigentümers gem. § 558 BGB endet damit auch die Durchsetzbarkeit deliktischer Ansprüche der übrigen Eigentümer. Eine unterschiedliche Behandlung der Verjährung solcher Ansprüche danach, ob es sich um Schäden am Sondereigentum oder solche am gemeinschaftlichen Eigentum handelt, widerspräche dem Schutzzweck des § 558 BGB.
Die restlichen Eigentümer werden insoweit auch nicht unzumutbar beeinträchtigt, da ihnen der vermietende Wohnungseigentümer als Schuldner verbleibt. Dies ergibt sich aus § 14 Nr. 1 und Nr. 2 WEG sowie § 278 BGB. Es wäre i.Ü. Sache der Wohnungseigentümergemeinschaft, durch angemessene Regelungen ihrer Gemeinschaftsordnung die Voraussetzungen für eine rechtzeitige Inanspruchnahme eines Mieters sicherzustellen.
Link zur Entscheidung
( LG Essen, Urteil vom 11.12.1997, 10 S 433/97= NJW-RR 13/1998, 874)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Diese Entscheidung entspricht offensichtlich der derzeit herrschenden Rechtsmeinung, soweit man insoweit die vertraglichen Ansprüche eines Vermieters und deliktische Ansprüche der restlichen Eigentümer einer Gemeinschaft als wirklich konkurrierende Ansprüche aus demselben Sachverhältnis ansieht und soweit die Schädigung nicht vorsätzlich vom Mieter begangen wurde. Ob in einem solchen Fall von Anspruchskonkurrenz aus gleichem Sachverhalt gesprochen werden kann, erscheint mir nicht ganz unstrittig. So weitgehend rechtliche Absicherungen für Eigentümer in einer Gemeinschaftsordnungs-Vereinbarung zu treffen - wie das LG am Ende seiner Begründung vermerkt - wurde bisher noch nicht in diesbezüglicher Vertragsgestaltungspraxis diskutiert. Bei nachweisbar festgestellten Umzugsschäden und Sachbeschädigungen des Gemeinschaftseigentums durch einen Mieter ist also eine Gemeinschaft derzeit gut beraten, etwaige, zivilgerichtlich zu verfolgende deliktische Ansprüche gegen einen Mieter rasch einzuleiten, um möglichen Verjährungseinreden des "schuldigen Mieters" zu entgehen.