Leitsatz
Gegenstand der am 7.5.2007 ergangenen Entscheidung war die Wirksamkeit einer "Hinauskündigungsklausel" bei der Neuaufnahme eines Gesellschafters. Die Klausel räumte dem Altgesellschafter ein Recht zur Kündigung des Neugesellschafters innerhalb der ersten zehn Jahre nach dessen Aufnahme ein, ohne dass für die Kündigung ein sachlicher Grund vorliegen musste. Der Altgesellschafter kündigte dem Neugesellschafter innerhalb der ersten drei Jahre, nachdem dieser in die Gesellschaft - eine Gemeinschaftspraxis für Ärzte - aufgenommen worden war.
Der BGH hat entschieden, dass eine Kündigungsklausel, die den Ausschluss eines Neugesellschafters ohne sachlichen Grund vorsieht, auf eine Höchstdauer von drei Jahren begrenzt sein muss, widrigenfalls ist sie wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 BGB nichtig.
Hinweis
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind gesellschaftsvertragliche Regelungen, die einem Gesellschafter, einer Gruppe von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen ("Hinauskündigungsklauseln"), grundsätzlich wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig (BGHZ 81, 263, 266 ff.; 105, 213, 216 f.; 112, 103, 107 f.; 164, 98, 101 und 107, 110 f; BGH, ZIP 2007, 862). Diese Rechtsprechung trägt dem Umstand Rechnung, dass der durch Ausschluss oder Kündigung bedrohte Gesellschafter angemessen geschützt werden muss, da sonst zu befürchten ist, dass er von den ihm zustehenden Gesellschafterrechten nicht in ausreichendem Maße Gebrauch machen kann. Plastisch spricht der BGH in diesem Zusammenhang von einem über dem Gesellschafter hängenden "Damoklesschwert" (BGHZ 81, 268).
Unter besonderen Umständen kann eine Hinauskündigungsklausel, die an keine Voraussetzungen geknüpft ist, jedoch wirksam sein. Doch muss sie zeitlich begrenzt sein (BGHZ 164, 908, 102 m.w.Nachw.). Der BGH konkretisiert nunmehr seine bisherige Rechtsprechung zur Höchstdauer einer solchen zeitlichen Begrenzung, die er auf höchstens drei Jahre befristet.
Als solchen "besonderen Umstand" sieht der BGH hier die Aufnahme eines Neugesellschafters in eine bereits bestehende Gesellschaft an. Denn für einen Altgesellschafter ist die Neuaufnahme eines ihm in der Regel weitgehend unbekannten neuen Gesellschafters ein erhebliches Risiko. Es bedarf deshalb grundsätzlich einer gewissen Zeit der Zusammenarbeit um herauszufinden, ob das notwendige Vertrauen zwischen dem Alt- und dem Neugesellschafter besteht. Diese Prüffrist muss so bemessen sein, dass sie sowohl einen angemessenen Zeitraum für ein gegenseitiges Kennenlernen und eine hinreichende Vertrauensbildung ermöglicht, als auch noch ausreichend Zeit eröffnet, mögliche Divergenzen zwischen den Gesellschaftern auszuräumen und für beide Seiten tragfähige Kompromisse zu finden.
Nach Ablauf der Frist von drei Jahren bleibt den aufnehmenden Gesellschaftern nur die Möglichkeit der Auflösungskündigung der Gesellschaft und damit unter Umständen die Zerschlagung des über Jahre aufgebauten Goodwill oder das eigene Ausscheiden.
Eine Prüfzeit von zehn Jahren ist insoweit unangemessen lang und damit sittenwidrig (BGH, ZIP 2004, 903, 905). Allerdings führt eine zu lang bemessene Frist trotz der darin liegenden Sittenwidrigkeit nicht zum Wegfall der vertraglichen Regelung, sondern die überlange Frist ist im Wege der so genannten geltungserhaltenden Reduktion an das zulässige Höchstmaß von drei Jahren anzupassen.
Von Wichtigkeit ist: Der BGH hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem von ihm zu entscheidenden Fall um eine Gemeinschaftspraxis von Ärzten handelte. Die Besonderheit liegt deshalb darin, dass Arztpraxen bei der Ausgestaltung der beruflichen Zusammenarbeit - im Gegensatz zu anderen Freiberuflern - besonderen öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterliegen. Daher hat das Ausscheiden eines Arztes aus einer Gemeinschaftspraxis in der Regel stärkere wirtschaftliche Konsequenzen, was insbesondere dann gilt, wenn der Arzt seine vertragsärztliche Zulassung "mitnimmt". Daher muss hier den Gesellschaftern regelmäßig ein längerer Zeitraum für die Prüfung ihrer gedeihlichen Zusammenarbeit eingeräumt werden. Insofern ist die für Arztpraxen anerkannte Höchstgrenze für Hinauskündigungsklauseln (drei Jahre) auf andere Gesellschaften nicht unreflektiert übertragbar. Vielmehr ist diese Frist bei sonstigen Gesellschaften regelmäßig wesentlich kürzer. Sie sollte ein bis zwei Jahre (maximal) nicht überschreiten.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 07.05.2007, II ZR 281/05