Dr. Jens Tersteegen, Prof. Dr. Thomas Reich
Rz. 168
Grundsätzlich haften die Erben unbeschränkt für sämtliche Nachlassverbindlichkeiten, d.h., die Erben haften mit dem Nachlass, aber auch mit ihrem sonstigen Vermögen. Die Erben können also ein erhebliches Interesse an der Herbeiführung einer Haftungsbegrenzung haben.
Rz. 169
Gemäß § 1970 BGB können die Nachlassgläubiger im Wege des Aufgebotsverfahrens zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert werden. Das Aufgebotsverfahren selbst richtet sich dabei nach den §§ 989–1000 und §§ 946–959 ZPO. Melden Gläubiger sich nicht innerhalb einer vom Nachlassgericht gesetzten Frist, kann der Erbe die Befriedigung dieser Gläubiger gem. § 1973 BGB verweigern, soweit der Nachlass durch die Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger erschöpft wird. Hinsichtlich der ausgeschlossenen Gläubiger beschränkt sich die Haftung also auf den Nachlass. Hinsichtlich der Gläubiger, die sich im Aufgebotsverfahren gemeldet haben, kommt es dagegen nicht zu einer Haftungsbeschränkung.
Rz. 170
Die Haftung des Erben beschränkt sich allerdings dann gem. § 1975 BGB auf den Nachlass, wenn die Nachlassverwaltung angeordnet bzw. das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird. Die Nachlassverwaltung ist ein besonderer Fall der Nachlasspflegschaft (§ 1975 BGB). Auf Antrag des Erben, eines Testamentsvollstreckers oder eines Gläubigers wird die Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger vom Nachlassgericht angeordnet. Der Erbe verliert die Befugnis, über den Nachlass zu verfügen. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht auf den Nachlassverwalter über (§ 1981 BGB). Die Anordnung der Nachlassverwaltung führt dazu, dass für Nachlassverbindlichkeiten nur noch der Nachlass und nicht mehr das Eigenvermögen des Erben haftet. Der Erbe kann Gläubiger an den Nachlassverwalter verweisen. Die Haftungsbeschränkung bleibt auch nach Aufhebung der Nachlassverwaltung bestehen.
Rz. 171
Reicht der Nachlass nicht zur Deckung aller Verbindlichkeiten aus, so wird auf Antrag das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet (geregelt in § 11 Abs. 2 Nr. 2, §§ 313–334 InsO). Antragsberechtigt sind gem. § 317 Abs. 1 InsO jeder Erbe sowie jeder Nachlassgläubiger, aber auch der Nachlassverwalter, der Nachlasspfleger und der Verwaltungstestamentsvollstrecker. Mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens geht das Recht des Erben, den Nachlass zu verwalten und über ihn zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§§ 80 Abs. 1, 27 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 InsO). Die Haftung beschränkt sich auf den Nachlass. Zuständig für die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ist ausschließlich das Amtsgericht als Insolvenzgericht am letzten Erblasserwohnsitz, es sei denn, dass der Erblasser den Mittelpunkt seiner selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit an einem anderen Ort hatte (§ 315 InsO). Voraussetzung für die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ist allerdings neben dem Vorliegen eines Eröffnungsgrundes stets, dass eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse vorhanden ist (§ 26 InsO). Ist dies nicht der Fall, wird das Insolvenzverfahren nicht eröffnet.
Rz. 172
Scheidet die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse aus, so verbleibt dem Erben noch die Möglichkeit, die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB zu erheben. Der Erbe kann dann die Befriedigung eines Nachlassgläubigers verweigern, wenn er den vorhandenen Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers herausgibt.
Rz. 173
Gemäß § 1958 BGB kann bis zur Annahme der Erbschaft bzw. bis zum Ende der Ausschlagungsfrist (§ 1943 BGB) ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, nicht gegen den Erben gerichtlich geltend gemacht werden. Außerdem kann der Erbe gem. § 2014 BGB innerhalb der ersten drei Monate nach Annahme der Erbschaft die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten verweigern (sog. Dreimonatseinrede).