Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
Rz. 22
Leben die Ehegatten getrennt (zum Begriff siehe Rdn 55), wird die eheliche Unterhaltsverpflichtung grundlegend umgestaltet. An die Stelle der gegenseitigen Verpflichtung beider Ehegatten, die Familie mit ihrer Arbeit und ihrem Vermögen zu unterhalten, tritt ein einseitiger Individualanspruch eines Ehegatten gegen den anderen. Dieser Anspruch ist nicht mehr auf die Sicherung des Familienunterhalts gerichtet, sondern bemisst sich nach dem Lebensbedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten und ist auf Zahlung einer monatlichen Geldrente gerichtet (§ 1361 Abs. 4 S. 1 BGB). Maßgebend für den Trennungsunterhalt sind zunächst die Lebensverhältnisse der Ehegatten, d.h. insbesondere der Lebensstandard, den sie vor der Trennung erreicht hatten. Daneben stellt das Gesetz auf die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten ab (§ 1361 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB). Nach einer Gesamtschau dieser Verhältnisse richten sich der Bedarf und die Bedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten sowie die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten.
Rz. 23
Im Normalfall wird der Bedarf durch das Einkommen der Ehegatten aus einer Erwerbstätigkeit bestimmt. Sind beide Ehegatten erwerbstätig, ist grds. das gemeinsame Einkommen prägend. Ist nur ein Ehegatte erwerbstätig, richtet sich danach der Lebenszuschnitt beider Ehegatten. Im Ansatz sind die bereinigten eheprägenden Einkünfte nach dem Halbteilungsgrundsatz aufzuteilen. Für Einkünfte aus Erwerbstätigkeit wird jedoch dem erwerbstätigen Ehegatten ein Erwerbstätigenbonus zuerkannt. Hierbei greift die Praxis auf die von den Gerichten entwickelten und turnusmäßig aktualisierten Unterhaltstabellen zurück, insbesondere auf die "Düsseldorfer Tabelle" und die Unterhaltsleitlinien der Oberlandesgerichte. Diese Unterhaltstabellen haben allerdings nur den Charakter unverbindlicher Richtwerte und dürfen deshalb im Einzelfall nicht schematisch angewandt werden. Nach der "Düsseldorfer Tabelle" gilt im Grundsatz: Ist der unterhaltsberechtigte Ehegatte nicht erwerbstätig, wird sein Bedarf mit 3/7 des anrechenbaren Erwerbseinkommens zuzüglich ½ der anrechenbaren sonstigen Einkünfte des Verpflichteten angesetzt. Bei der Doppelverdienerehe wird dem weniger verdienenden Ehegatten 3/7 der Differenz zwischen den anrechenbaren Erwerbseinkommen der Ehegatten zugesprochen.
Rz. 24
Bedürftig ist ein Ehegatte dann, wenn er seinen Unterhaltsbedarf nicht durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit oder durch Einkünfte aus seinem Vermögen decken kann. Für den während der Ehe nicht erwerbstätigen Ehegatten ist die Erwerbsobliegenheit in der Trennungsphase (für den Unterhalt nach der Scheidung siehe § 1574 Abs. 2 BGB sowie Rdn 83 ff.) aber erheblich eingeschränkt. Er kann gem. § 1361 Abs. 2 BGB nur dann auf eine eigene Erwerbstätigkeit verwiesen werden, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann. Dies gilt nach der zum 1.1.2008 in Kraft getretenen Reform des Unterhaltsrechts (siehe Rdn 84) uneingeschränkt aber nur noch für das erste Trennungsjahr. Danach wird die Erwerbsobliegenheit i.d.R. wie beim nachehelichen Unterhalt zu beurteilen sein (siehe Rdn 83 ff.).
Rz. 25
Leistungsfähig ist der unterhaltsverpflichtete Ehegatte, wenn er den Unterhalt aus erzielten oder erzielbaren Einkünften oder aus Vermögen, dessen Verwertung zumutbar ist, leisten kann. Die Leistungsfähigkeit wird begrenzt durch den Betrag, den der Verpflichtete für seinen eigenen Unterhalt und den Unterhalt vorrangig Berechtigter benötigt. Insoweit wird der Maßstab des § 1581 BGB, der unmittelbar für den nachehelichen Unterhalt gilt, analog angewandt. Ist also der Verpflichtete außerstande, den Unterhalt ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts zu gewähren, braucht er nur insoweit Unterhalt zu leisten, wie es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse sowie die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse des anderen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Dem erwerbstätigen Unterhaltsverpflichteten muss in jedem Fall der notwendige Selbstbehalt (Eigenbedarf) verbleiben, der nach der "Düsseldorfer Tabelle" derzeit monatlich gegenüber Ehegatten 1.280 EUR beträgt. Diese weitgehende Haftung wird allerdings regelmäßig nur zur Geltung kommen, wenn der Unterhaltsberechtigte wegen der Betreuung minderjähriger Kinder ebenso bedürftig ist wie ein Kind. Anderenfalls ist dem Verpflichteten ein billiger Selbstbehalt einzuräumen, der von der Rspr. aus dem Mittelwert zwischen dem notwendigen und dem angemessenen Selbstbehalt gebildet wird.
Rz. 26
Modifikationen der vorgenannten Berechnungsweise sind erforderlich, wenn der Unterhaltsberechtigte (nach der Trennung) im Ausland lebt. Hierbei wird zunächst der Bedarf ermittelt, der sich entsprechend den allgemeinen Regeln aus den ehelichen Lebensverhältnissen ergibt. In einem zweiten Schritt ist dann festzustelle...