Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
Rz. 68
Während bestehender Ehe bleiben die Vermögensmassen der Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft grds. getrennt (siehe Rdn 14). Zu einem Vermögensausgleich kommt es erst bei Beendigung des Güterstandes, insbesondere durch Scheidung. Hierbei wird aber nicht sämtliches Vermögen der Ehegatten ausgeglichen, sondern lediglich der Zugewinn in der Ehe. Dabei muss der Ehegatte, dessen Vermögen in der Ehe stärker gewachsen ist, an den anderen Ehegatten die Hälfte des Überschusses wertmäßig abführen (§ 1378 Abs. 1 BGB).
Rz. 69
Zur Durchführung des Zugewinnausgleichs muss zunächst der von jedem Ehegatten erzielte Zugewinn ermittelt werden. Zugewinn ist der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten sein Anfangsvermögen übersteigt (§ 1373 BGB). Er kann keine negative Größe haben (er beträgt also mindestens Null), da kein Ehegatte die während der Ehe erlittenen Verluste des anderen Ehegatten mittragen soll.
Rz. 70
Anfangsvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten beim Eintritt des Güterstandes gehört (§ 1374 Abs. 1 BGB). Maßgeblicher Stichtag ist die Eheschließung, wenn die Ehegatten von Anfang an in Zugewinngemeinschaft lebten. Verbindlichkeiten können nunmehr (nach einer entsprechenden Gesetzesänderung im Jahr 2009) auch über die Höhe des Vermögens hinaus abgezogen werden (§ 1374 Abs. 3 BGB), weshalb das Anfangsvermögen auch negativ sein kann. Zum Anfangsvermögen ist grds. das Vermögen hinzuzurechnen, das ein Ehegatte während der Ehe durch Erbgang, vorweggenommene Erbfolge, Schenkung oder Ausstattung (zum Begriff siehe § 1624 BGB) erwirbt (§ 1374 Abs. 2 BGB). Indem das Gesetz diese Erwerbe dem Anfangsvermögen zuordnet, werden sie so behandelt, als seien sie bereits beim Eintritt des Güterstandes vorhanden gewesen und unterliegen damit nicht der Substanz nach, sondern nur hinsichtlich etwaiger Wertsteigerungen dem Zugewinnausgleich. Dahinter steht die Überlegung, dass der in § 1374 Abs. 2 BGB genannte privilegierte Erwerb nicht im Zusammenhang mit der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft steht, sondern auf besondere persönliche Beziehungen des begünstigten Ehegatten zu Dritten zurückgeht. Auf Schenkungen zwischen Ehegatten ist § 1374 Abs. 2 BGB nach h.M. ebenso wenig anwendbar wie auf ehebedingte (unbenannte) Zuwendungen (siehe Rdn 77 ff.).
Rz. 71
Insbesondere nach längerer Ehe ist es häufig schwer feststellbar, welche Vermögensgegenstände die Ehegatten beim Eintritt des Güterstandes (regelmäßig also bei Eheschließung) besaßen. Zur Vermeidung dieser Schwierigkeiten können die Ehegatten ein Vermögensverzeichnis über das jeweilige Anfangsvermögen errichten. Hieran knüpft das Gesetz die Vermutung der Richtigkeit des Verzeichnisses (§ 1377 Abs. 1 BGB). Hierdurch wird im Prozess die Darlegungs- und Beweislast umgekehrt. Haben die Ehegatten – was in der Praxis den Regelfall darstellt – kein Vermögensverzeichnis über ihr jeweiliges Anfangsvermögen erstellt, wird vermutet, dass das Endvermögen eines Ehegatten insgesamt seinen Zugewinn darstellt, also kein Anfangsvermögen vorhanden war (§ 1377 Abs. 3 BGB). Wird diese Vermutung nicht widerlegt, reduziert sich die Berechnung des Zugewinnausgleichs auf einen bloßen Vergleich der beiden Endvermögen.
Rz. 72
Endvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten bei der Beendigung des Güterstandes gehört (§ 1375 Abs. 1 S. 1 BGB). Bei der Beendigung des Güterstandes durch Scheidung kommt es hierbei auf den Zeitpunkt an, in dem der Scheidungsantrag rechtshängig geworden ist (§ 1384 BGB). Auch das Endvermögen kann negativ sein (§ 1375 Abs. 1 S. 2 BGB). Einer willkürlichen Schmälerung des Endvermögens, etwa durch Schenkungen an Dritte, wirkt § 1375 Abs. 2 BGB entgegen, indem dort entsprechende Hinzurechnungen angeordnet sind.
Rz. 73
Für die Wertermittlung des Anfangs- und Endvermögens ist grds. der Verkehrswert zugrunde zu legen, also der bei einer Veräußerung voraussichtlich erzielbare Erlös (§ 1376 BGB). Für bestimmte Vermögensgegenstände haben sich in der Praxis besondere Bewertungsverfahren durchgesetzt, so z.B. für die Bewertung von Unternehmen und Grundstücken. Besonderheiten gelten für land- und forstwirtschaftliche Betriebe (§ 1376 Abs. 4 BGB). Die nominale Wertsteigerung durch die Geldentwertung ist als unechter Zugewinn nicht auszugleichen. Hierzu wird von der Rspr. das Anfangsvermögen um den Kaufkraftschwund hochgerechnet.
Rz. 74
Der Zugewinnausgleichsanspruch ist auf eine Geldzahlung in Höhe der Hälfte des Zugewinnausgleichsüberschusses gerichtet (§ 1378 Abs. 1 BGB). Der ausgleichsberechtigte Ehegatte muss sich Vorausempfänge, die er von dem anderen Ehegatten erhalten hat, auf die Ausgleichsforderung anrechnen lassen, sofern der Zuwendende dies angeordnet hat (§ 1380 Abs. 1 S. 1 BGB). Dies gilt insbesondere für ehebedingte (unbenannte) Zuwendungen (siehe Rdn 77 ff.). Der Zugewinnausgleichsanspruch entsteht mit der Beendigung des Güterstandes (§ 1378 Abs....