Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
I. Trennung
1. Voraussetzungen
Rz. 55
Ein förmliches Verfahren für die Trennung von Tisch und Bett kennt das deutsche Recht nicht. Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt (§ 1567 Abs. 1 S. 1 BGB). Die bloß räumliche Trennung begründet für sich genommen kein Getrenntleben i.S.d. § 1567 BGB. Erforderlich ist vielmehr ein subjektives Element, der Trennungswille. Das Getrenntleben setzt auch nicht zwingend voraus, dass die gemeinsame Wohnung aufgegeben wird. Vielmehr besteht eine häusliche Gemeinschaft auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben (§ 1567 Abs. 1 S. 2 BGB). Dies ist dann der Fall, wenn sie nicht mehr zusammen wirtschaften, getrennt schlafen und essen.
2. Rechtsfolgen
Rz. 56
Das Getrenntleben ist vor allem eine wesentliche Scheidungsvoraussetzung (siehe Rdn 58). Das Gesetz knüpft hieran aber auch weitere Rechtsfolgen, insbesondere:
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Es ist nicht mehr der Familienunterhalt gem. § 1360 BGB, sondern Trennungsunterhalt (siehe Rdn 22 ff.) in Form einer Geldrente zu leisten (§ 1361 Abs. 4 S. 1 BGB). |
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Die Haushaltsgegenstände können im Streitfall durch das Familiengericht aufgeteilt werden (§ 1361a BGB). Auch kann eine vorläufige gerichtliche Regelung über die Benutzung der Ehewohnung herbeigeführt werden (§ 1361b BGB). |
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Die "Schlüsselgewalt" (siehe Rdn 34 f.) endet (§ 1357 Abs. 3 BGB). |
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Die Eigentumsvermutung zugunsten von Gläubigern (siehe Rdn 36) entfällt (§ 1362 Abs. 1 S. 2 BGB). |
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Nach dreijähriger Trennung kann jeder Ehegatte den vorzeitigen Zugewinnausgleich (zum Zugewinnausgleich siehe Rdn 68 ff.) verlangen (§ 1385 BGB). |
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Die Zusammenveranlagung der Ehegatten im Einkommensteuerrecht (siehe Rdn 54) ist nicht mehr möglich. |
II. Scheidungsgründe
1. Zerrüttungsprinzip
Rz. 57
Seit 1977 wird das Scheidungsrecht nicht mehr durch das zuvor geltende Schuldprinzip, sondern durch das Zerrüttungsprinzip gekennzeichnet. Nach geltendem Recht kommt es nicht mehr darauf an, ob und von wem die Zerrüttung der Ehe verursacht und verschuldet ist. Das Gesetz sieht als einzigen Scheidungsgrund vielmehr das Scheitern der Ehe vor (§ 1565 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen (§ 1565 Abs. 1 S. 2 BGB). Auch bei einer einvernehmlichen Scheidung (Konventionalscheidung) führt nicht das Einvernehmen der Ehegatten zur Scheidung, sondern allein die gerichtliche Feststellung der Zerrüttung.
Rz. 58
Das Nichtbestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft i.S.d. § 1565 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht mit dem Getrenntleben gem. § 1567 Abs. 1 BGB gleichzusetzen. Das Getrenntleben ist zwar ein Indiz für die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft; das Getrenntleben allein genügt jedoch nicht. Es kommt darauf an, ob die konkrete, von den subjektiven Vorstellungen der Ehegatten getragene Gemeinschaft endgültig zerstört ist. Dies kann auch ohne ein vorheriges Getrenntleben der Fall sein. Besteht die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr, ist ferner die Prognose erforderlich, dass die Ehegatten sie nicht wiederherstellen werden.
2. Scheidungsvermutungen
Rz. 59
Um den Ehegatten zu ersparen, ihre ehelichen Verhältnisse gegenüber dem Gericht in allen Einzelheiten offenzulegen, und das Gericht von der Feststellung der Zerrüttung zu entlasten, stellt das Gesetz in § 1566 BGB zwei unwiderlegliche Vermutungen für das Scheitern der Ehe auf: Leben die Ehegatten seit einem Jahr getrennt und beantragen beide die Scheidung oder stimmt der Antragsgegner der Scheidung zu, wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist (§ 1566 Abs. 1 BGB). Der Ehescheidung kann dann lediglich die Kinderschutzklausel gem. § 1568 Var. 1 BGB (siehe Rdn 61) entgegenstehen. Leben die Ehegatten seit drei Jahren getrennt, wird auch bei einem nur einseitigen Scheidungsbegehren das Scheitern der Ehe unwiderlegbar vermutet (§ 1566 Abs. 2 BGB). In diesem Fall ist die Ehe daher zu scheiden, wenn nicht ausnahmsweise die Härteklausel des § 1568 BGB (Var. 1 oder 2) eingreift. Im Jahr 2017 wurden in der Bundesrepublik Deutschland 153.501 Ehen geschieden, davon 126.823 aufgrund der Vermutung des § 1566 Abs. 1 BGB (ca. 82,6 %), 25.032 aufgrund der Vermutung des § 1566 Abs. 2 BGB (ca. 16,3 %), 1.346 über die Härteklausel des § 1565 Abs. 2 BGB (ca. 0,9 %) und 300 aufgrund anderer Vorschriften (ca. 0,2 %). 96 Ehen wurden aufgehoben (zur aufhebbaren Ehe siehe Rdn 8), und 207 Anträge wurden abgelehnt.
3. Härteklauseln
Rz. 60
Um leichtfertigen, voreiligen und rechtsmissbräuchlichen Scheidungen vorzubeugen und die Zerrüttungsprognose zu erleichtern, bestimmt § 1565 Abs. 2 BGB, dass die Ehe vor Abla...