Dr. Jens Tersteegen, Prof. Dr. Thomas Reich
I. Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
1. Annahme der Erbschaft
Rz. 137
Die Erbschaft fällt mit dem Tod des Erblassers ipso iure dem berufenen Erben an (§ 1942 Abs. 1 BGB). Einer ausdrücklichen Annahme der Erbschaft bedarf es nicht. Der Erbe wird automatisch Träger sämtlicher Rechte und Pflichten. Der Annahme kommt daher nur geringe Bedeutung zu. Gemäß § 1943 BGB kann der Erbe die Erbschaft lediglich nicht mehr ausschlagen, wenn er sie angenommen hat. Die Annahme kann entweder ausdrücklich erfolgen oder auch konkludent, indem der Erbe gegenüber Dritten objektiv eindeutig zum Ausdruck bringt, Erbe sein zu wollen.
2. Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 138
Das Ausschlagungsrecht gibt dem vorläufigen Erben die Möglichkeit, den Erbschaftsanfall durch einseitige Willenserklärung rückwirkend (§ 1953 Abs. 1 BGB) zu beseitigen. Die Ausschlagung der Erbschaft erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht entweder zu dessen Niederschrift oder in öffentlich beglaubigter Form (§ 1945 Abs. 1 BGB).
Rz. 139
Zuständig als Nachlassgerichte sind die Amtsgerichte. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich dabei nach § 343 FamFG. Grundsätzlich örtlich zuständig ist daher das Amtsgericht am Wohnsitz des Erblassers (§ 343 Abs. 1 FamFG). Hat der Erblasser keinen inländischen Wohnsitz, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte (§ 343 Abs. 2 FamFG). Ist der Erblasser Deutscher, hatte er aber weder Wohnsitz noch Aufenthalt in Deutschland oder befinden sich Nachlassgegenstände im Inland, so ist nach § 343 Abs. 3 FamFG das Amtsgericht Schöneberg in Berlin-Schöneberg zuständig. Im Hinblick auf die Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte ist aber auch die Entscheidung des EuGH in der Sache "Oberle" zu berücksichtigen. Darin führte der EuGH aus, dass die Zuständigkeitsregelung des Art. 4 EuErbVO auch für das Erbscheinsverfahren den Vorschriften des FamFG vorgeht. Folgt man dem, kann in all den Fällen, in denen nach Art. 4 EuErbVO eine Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben ist, ein Erbschein vor deutschen Gerichten beantragt werden.
Rz. 140
Die Ausschlagung kann grundsätzlich gem. § 1944 Abs. 1 BGB nur binnen sechs Wochen erfolgen. Die Frist beginnt gem. § 1944 Abs. 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Erbe von dem Anfall der Erbschaft und dem Grund seiner Berufung Kenntnis erlangt. Die Frist beginnt bei gewillkürter Erbfolge allerdings erst ab Verkündung der Verfügung. Statt der Sechs-Wochen-Frist des § 1944 Abs. 1 BGB beträgt die Frist sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland hatte oder wenn der Erbe sich bei Beginn der Frist im Ausland aufgehalten hat (§ 1944 Abs. 3 BGB). Soweit die Ausschlagungsfrist versäumt wurde, kommt eine Anfechtung der Fristversäumung in Betracht (§ 1956 BGB). Auch die Annahme der Erbschaft kann angefochten werden. Anfechtungsgründe sind insofern Inhalts- und Erklärungsirrtum und der Eigenschaftsirrtum i.S.v. § 119 Abs. 2 BGB.
II. Erbschein
1. Funktion und Inhalt
Rz. 141
In vielerlei Situationen benötigt der Erbe einen Nachweis seines Erbrechts (gegenüber dem Grundbuchamt, dem Handelsregister, Banken, Lebensversicherungen etc.). Deshalb stellt das Nachlassgericht gem. § 2353 BGB auf Antrag dem Erben ein Zeugnis über sein Erbrecht aus. Aus diesem ergeben sich die Person des Erben sowie die Größe des jeweiligen Erbteils (§ 2353 BGB) sowie Verfügungsbeschränkungen des Erben durch Nacherbfolge (§ 2363 BGB) und Testamentsvollstreckung (§ 2364 BGB). Der Erbschein enthält dagegen keine Angabe darüber, ob der oder die Erben mit Vermächtnissen, Auflagen oder beispielsweise Pflichtteilsansprüchen belastet sind.
Rz. 142
Man unterscheidet verschiedene Arten von Erbscheinen: Grundfall des Erbscheins ist der Alleinerbschein, der das alleinige Erbrecht des Alleinerben bezeugt (§ 352 FamFG, § 2353 1. Alt. BGB). Einem von mehreren Miterben kann gem. § 2353 2. Alt. BGB auch ein sog. Teilerbschein erteilt werden. In diesem werden die übrigen Miterben nicht aufgeführt. Demgegenüber nennt der gemeinschaftliche Erbschein gem. § 352a FamFG sämtliche Miterben. In der Praxis kommt dem gemeinschaftlichen Erbschein deutlich größere Bedeutung zu als dem Teilerbschein, da die Miterben nur gemeinschaftlich über den Nachla...