Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
I. Abstammung
Rz. 127
Im Jahr 1998 ist die Unterscheidung im Abstammungsrecht zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern beseitigt worden. Die §§ 1591 ff. BGB regeln die Abstammung nunmehr einheitlich, wobei die Frage, ob die Eltern miteinander verheiratet sind, nach wie vor eine Rolle spielen kann. Die Abstammung als Grundlage der Verwandtschaft (§ 1589 BGB) wird grds. durch die genetisch-biologische Abkunft von den Eltern begründet. Sie wird allerdings teilweise lediglich vermutet und ist im Einzelfall sogar bloße Fiktion, da z.B. die Anerkennung der Vaterschaft auch ohne biologische Herkunft ebenso zu rechtlich wirksamer Abstammung führt wie die Vaterschaftsvermutung aus der Ehe der Eltern, wenn der Ehemann nicht der biologische Vater ist. Es kann also zu einem Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Vaterschaft kommen.
Rz. 128
Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat (§ 1591 BGB). Damit ist klargestellt, dass es auch in Fällen der (in Deutschland verbotenen) Leihmutterschaft oder Eispende keine "gespaltene Mutterschaft" gibt. Auch eine Anfechtung der Mutterschaft ist ausgeschlossen. Vater eines Kindes ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (§ 1592 Nr. 1 BGB), der die Vaterschaft anerkannt hat (§ 1592 Nr. 2 BGB) oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist (§ 1592 Nr. 3 BGB).
Rz. 129
Die Vaterschaftszurechnungen gem. § 1592 Nr. 1 und 2 BGB können durch Anfechtung wieder beseitigt werden (§§ 1599 Abs. 1, 1600 ff. BGB). Anfechtungsberechtigt sind der Mann, dessen Vaterschaft nach diesen Vorschriften besteht, die Mutter, das Kind und seit dem Jahr 2004 auch der biologische Vater (§ 1600 Abs. 1 BGB). Die fehlende Abstammung kann aber nur in einem Anfechtungsprozess geltend gemacht werden. Aufgrund der statusrechtlichen Bedeutung der Abstammungsfrage und aus Gründen der Rechtssicherheit kann daher vor rechtskräftig gewordener Vaterschaftsanfechtung nicht eingewandt werden, der gesetzliche Vater sei nicht der leibliche Vater des Kindes.
II. Adoption
1. Allgemeines
Rz. 130
Die Annahme als Kind (Adoption) ist in den §§ 1741 ff. BGB geregelt. Seit 1977 gilt das Dekretsystem, also die Adoption durch staatlichen Hoheitsakt. Außerdem hat sich das deutsche Recht grds. für die Volladoption (Adoption mit "starken Wirkungen") entschieden, durch die also das Kindschafts- und Verwandtschaftsverhältnis mit allen seinen Wirkungen hergestellt wird. Dies gilt uneingeschränkt für die Annahme eines minderjährigen Kindes als den typischen Fall. Die Annahme eines Volljährigen als Kind hat hingegen dem Grundsatz nach nur "schwache Wirkungen"; sie erstreckt sich nicht auf die Verwandten des Annehmenden, kann aber unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls mit den Wirkungen der Volladoption durchgeführt werden. Seit der Öffnung der Ehe auch für Personen des gleichen Geschlechts (siehe dazu Rdn 3) können auch gleichgeschlechtliche Ehegatten gemeinschaftlich ein Kind adoptieren (und müssen dies auch im Regelfall des § 1741 Abs. 2 S. 2 BGB). Außerdem ist seit dem 31.3.2020 auch eine "Stiefkindadoption" durch den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft möglich (§ 1766a BGB).
2. Minderjährigenadoption
Rz. 131
Die Adoption wird vom Familiengericht ausgesprochen. Das Adoptionsverfahren wird durch einen Antrag bei Gericht eingeleitet, den bei der Minderjährigenadoption der Annehmende stellen muss. Der Antrag bedarf der notariellen Beurkundung, muss persönlich erklärt sein (also keine Stellvertretung zulässig) und darf keine Bedingung oder Zeitbestimmung enthalten (§ 1752 Abs. 2 BGB). In der Praxis wird der Antrag regelmäßig vom beurkundenden Notar eingereicht. Der Antrag kann bis zur Wirksamkeit des Annahmebeschlusses, d.h. bis zu dessen Zustellung an den Annehmenden, zurückgenommen werden.
Rz. 132
Außerdem werden verschiedene Einwilligungserklärungen benötigt, und zwar insbesondere
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von dem anzunehmenden Kind bzw. seinem gesetzlichen Vertreter (§ 1746 BGB), |
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von dem Ehegatten des Annehmenden, falls dieser ausnahmsweise das Kind allein annimmt (§§ 1741 Abs. 2 S. 3 und 4, 1749 Abs. 1 BGB) und |
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von den Eltern des Kindes (§ 1747 BGB), deren Einwilligung unter bestimmten Voraussetzungen durch das Familiengericht ersetzt werden kann (§ 1748 BGB). |
Rz. 133
Die Annahme eines Minderjährigen setzt voraus, dass sie seinem Wohl dient und mit der Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu rechnen ist (§ 1741 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Annahme soll i.d.R. erst nach einer Probezeit ausgesprochen werden (§ 1744 BGB). Der Annehmende muss grds. mindestens 25...