Dr. Jens Tersteegen, Prof. Dr. Thomas Reich
1. Grundsatz: Testierfreiheit
Rz. 33
Dem Erblasser steht es grundsätzlich frei, durch Verfügung von Todes wegen (Testament, gemeinschaftliches Testament, Erbvertrag) von der gesetzlichen Erbfolge ganz oder teilweise abzuweichen und seinen Nachlass autonom zu regeln. Der Erblasser kann also auch seine nächsten Angehörigen vollständig von der Erbfolge ausschließen. Diese haben aber möglicherweise Pflichtteilsansprüche in Form von Geldansprüchen gegen den bzw. die Erben (zum Pflichtteilsrecht siehe Rdn 94 ff.).
2. Testierfähigkeit
Rz. 34
Die Errichtung, Abänderung oder Aufhebung einer Verfügung von Todes wegen setzt voraus, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung, Abänderung oder Aufhebung testierfähig (§ 2229 BGB) ist. Ein Minderjähriger kann gem. § 2229 Abs. 1 BGB ein Testament errichten, wenn er das 16. Lebensjahr vollendet hat und bedarf hierfür nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (§ 2229 Abs. 2 BGB). Krankhafte Störungen der Geistestätigkeit schließen die Testierfähigkeit gem. § 2229 Abs. 4 BGB aus. Nicht testierfähig ist, wer nicht in der Lage ist, sich ein klares Urteil über die Tragweite seiner Anordnungen zu bilden, insbesondere über ihre Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen sowie über die Gründe, die für und gegen ihre Berechtigung sprechen. Allein die Anordnung einer Betreuung nach §§ 1814 ff. BGB führt nicht zur Testierunfähigkeit. Der Betreute ist nur dann testierunfähig, wenn die Voraussetzungen des § 2229 Abs. 4 BGB vorliegen.
3. Höchstpersönlichkeit
Rz. 35
Die Errichtung einer Verfügung von Todes wegen stellt ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft dar. Der Erblasser kann ein Testament nur persönlich errichten und sich insbesondere nicht durch einen Stellvertreter vertreten lassen (§ 2064 BGB). Der Erblasser muss das Testament aber nicht nur persönlich errichten (formelle Höchstpersönlichkeit), sondern er muss auch dessen wesentlichen Inhalt selbst bestimmen (materielle Höchstpersönlichkeit, § 2065 BGB). Nach § 2065 Abs. 1 BGB darf weder die Wirksamkeit des gesamten Testaments noch einzelner darin enthaltener Verfügungen vom Willen eines Dritten abhängig sein. Ebenso kann der Erblasser dem Dritten gem. § 2065 Abs. 2 BGB nicht überlassen, den Empfänger oder den Gegenstand der Zuwendung auszuwählen. Zulässig sind aber, wie sich aus §§ 2074, 2075 BGB ergibt, aufschiebende oder auflösende Bedingungen. Es ist auch zulässig, als Bedingung ein Ereignis zu wählen, dessen Eintritt allein vom Willen des Bedachten oder eines Dritten abhängig ist (Potestativbedingungen). Dies gilt allerdings nur dann, soweit derartige Bedingungen nicht auf eine Vertretung im Willen hinauslaufen.
4. Verbotsgesetze als Beschränkung der Testierfreiheit
Rz. 36
Die Testierfreiheit des Erblassers findet dort ihre Grenze, wo ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) vorliegt. Als in der heutigen Zeit an Bedeutung gewinnendes Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB sind heimrechtliche Vorschriften zu nennen, die bestimmte Zuwendungen eines Heimbewohners zugunsten des Trägers von Alten- und Pflegeheimen bzw. deren Mitarbeitern verbieten. Früher waren diese bundesgesetzlich in § 14 HeimG a.F. geregelt. Mittlerweile ist die Gesetzgebungskompetenz für die Heimgesetze auf die Länder übergegangen. Diese haben aber weitgehend Vorschriften erlassen, die der des § 14 HeimG a.F. weitgehend entsprechen.