Dr. Jens Tersteegen, Prof. Dr. Thomas Reich
1. Vermögenserwerb von Todes wegen
Rz. 192
Die der Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer unterliegenden Vorgänge sind in § 1 Abs. 1 ErbStG aufgezählt. Der Besteuerung unterliegen demnach:
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Erwerbe von Todes wegen (§ 3 ErbStG) |
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Schenkungen unter Lebenden (§ 7 ErbStG) |
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Zweckzuwendungen (§ 8 ErbStG) |
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alle 30 Jahre das Vermögen von Familienstiftungen (Erbersatzsteuer). |
Rz. 193
Der Erbanfall, als Grundfall des Erwerbs von Todes wegen, ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerpflichtig. Für die Erbschaftsteuerpflicht ist es dem Grunde nach irrelevant, ob ein Erwerb aufgrund gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge oder aufgrund Erb- oder Vermächtniseinsetzung erfolgt.
Rz. 194
Soweit mehrere Personen durch Testament oder Erbvertrag oder kraft Gesetzes gemeinschaftlich Erben geworden sind, entsteht zwischen den Miterben eine Erbengemeinschaft (§ 2033 Abs. 1 BGB). Steuerlich wird jeder einzelne Miterbe aber so behandelt, als habe er an jedem einzelnen Nachlassgegenstand (Vermögen und Schulden) einen Bruchteil entsprechend seiner Erbquote erworben (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO); für die Erbschaftsteuer ist es daher grundsätzlich irrelevant, wie sich die Miterben später auseinandersetzen oder ob sogar eine Teilungsanordnung nach § 2048 BGB vom Erblasser getroffen worden ist. Für die Besteuerung wird jedem einzelnen Erben der seiner Erbquote entsprechende, nach den erbschaft- und bewertungsrechtlichen Vorschriften ermittelte Reinwert des Nachlasses zugerechnet. Die Erbauseinandersetzung ist somit vom Erbfall losgelöst zu betrachten und völlig selbstständig auf dadurch möglicherweise sogar begründete (weitere) Steuerfolgen hin zu untersuchen. Soweit erbschaftsteuerliche Begünstigungen für Betriebsvermögen (§§ 13a ff., 19a ErbStG) oder vermietete Wohnimmobilien (§ 13d ErbStG) bestehen, werden diese allerdings nur demjenigen gewährt, der in eigener Person die Voraussetzungen für die Begünstigungen erfüllt und das Vermögen übernimmt.
Rz. 195
Einer Teilungsanordnung kommt lediglich dann Bedeutung für die Besteuerung zu, wenn mit dieser eine Wertverschiebung verbunden ist – dann handelt es sich allerdings i.d.R. um ein Vorausvermächtnis. Selbst wenn die Teilungsanordnung dingliche Wirkung hat, wie dies z.B. bei der im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft vorgesehenen Sondererbfolge oder der Bestimmung eines Hoferben nach der Höfeordnung der Fall ist, soll dieser erbschaftsteuerlich grundsätzlich keinerlei Bedeutung zukommen, wenn die Teilungsanordnung nicht zu einer Verschiebung der Erbquoten führt. Vgl. dazu auch § 8 Rdn 90.
Rz. 196
Die Erbfolge und Erbquote entnimmt die Finanzverwaltung regelmäßig dem Erbschein. Das Finanzamt ist allerdings berechtigt und verpflichtet, das Erbrecht und die Erbteile selbst zu ermitteln, wenn gewichtige Gründe in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gegen die Richtigkeit des Erbscheins sprechen. Ob diese Rechtsprechung auch auf das Europäische Nachlasszeugnis zu übertragen ist, wird abzuwarten sein, da Art. 41 EuErbVO grundsätzlich eine sachliche Überprüfung durch andere Behörden ausschließt, andererseits aber die EuErbVO nach ihrem Art. 1 Abs. 1 nicht für Steuersachen gilt.
Rz. 197
Steuerlich wird sogar ein bürgerlich-rechtlich ungültiges Testament anerkannt, wenn sich die Beteiligten von Anfang an danach richten und es tatsächlich vollziehen. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn ein formnichtiges, z.B. ein mit der Schreibmaschine geschriebenes Testament, von den Beteiligten als wirksam behandelt wird. Ebenso wird ein (außer-) gerichtlicher erbrechtlicher Vergleich als steuerlich wirksam behandelt, wenn der zugrunde liegende Streit über ein Erbrecht oder einen Pflichtteilsanspruch ernstlich geführt wurde, der Vergleichsabschluss ernst gemeint ist und dieser auch tatsächlich vollzogen wird.
Rz. 198
Einen Erwerb von Todes wegen stellen auch ein Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) oder die Abfindung für die Ausschlagung eines Vermächtnisses (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG) dar. Vermächtnisse und Vorausvermächtnisse sind mit ihrem steuerlichen Wert zu berücksichtigen. Anders als bei Miterben, denen entsprechend ihrer Erbquote der steuerliche Gesamtwert des Nachlasses zugerechnet wird, wird beim Vermächtnisempfänger nur der steuerliche Wert des Vermächtnisgegenstandes berücksichtigt. Der steuerliche Wert des Vermächtnisgegenstandes wird bei Erben als Verbindlichkeit vom steuerlichen Wert des Nachlasses abgezogen (§ 10 Abs. 5 ErbStG). Früher konnte ein Vermächtnis dazu genutzt werden, Bewertungsvorteile für bestimmte Vermögensgegenstände individuell zuweisen zu können; mittlerweile gibt es aber derartige Vorteile im Rahmen der Bewertung weitgehend nicht mehr, da sämtliche Vermögensgegenstände möglichst realitätsnah bewertet werden sollen. Nach §§ 13a, 13c und 13d ErbStG begünstigtes Vermögen wird mittlerweile verkehrswertnah bewertet, es gibt allerdings bei der Berechnung der Steuer Abschläge. Um diese Begünstigungen zu erlangen, ist allerdings – anders als früher – keine Lösung mehr über ein Vermä...