Dr. Jens Tersteegen, Prof. Dr. Thomas Reich
Rz. 28
Die Einführung der "Ehe für alle" hat sich in Deutschland in zwei Schritten vollzogen: Zunächst hat der Gesetzgeber die sog. Lebenspartnerschaft durch das LPartG eingeführt. Am 30.6.2017 hat der Bundestag dann das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts beschlossen. Paare, die in Anwendung dieses Gesetzes die Ehe geschlossen haben oder ihre Lebenspartnerschaft nach Art. 20a LPartG in eine Ehe umgewandelt haben, sind damit rechtlich als Eheleute zu behandeln. Für sie gelten vollumfänglich die Ausführungen zu Eheleuten (siehe Rdn 20 ff.). Bestehende Verfügungen von Todes wegen, die eingetragene Lebenspartner vor Umwandlung ihrer Lebenspartnerschaft in eine Ehe geschlossen haben, bleiben bestehen. Die erbrechtliche Rechtslage ändert sich durch die Umwandlung nicht. Eine Anpassung der Verfügungen von Todes wegen zumindest aus dem Grund der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe ist nicht erforderlich.
Rz. 29
Nach Einführung der Ehe für alle können neue Lebenspartnerschaften nicht mehr begründet werden. Bestehende Lebenspartnerschaften werden aber nicht automatisch in Ehen umgewandelt. Insofern ist auch die Frage der Beerbung eingetragener Lebenspartner weiterhin von Bedeutung.
Rz. 30
Das Erbrecht des eingetragenen Lebenspartners ist dem Erbrecht des Ehegatten nachgebildet. Gleichwohl verweist das LPartG nicht auf die Regelung in § 1931 BGB, sondern enthält mit § 10 LPartG eine eigenständige Regelung. Nach dieser ist der überlebende Lebenspartner des Erblassers neben Verwandten der ersten Ordnung (d.h. neben den Abkömmlingen) zu ¼ und neben Verwandten der zweiten Ordnung (den Eltern und deren Abkömmlingen) oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen. Sind weder Verwandte der ersten noch der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, so wird der Lebenspartner gem. § 10 Abs. 2 S. 1 LPartG Alleinerbe.
Rz. 31
Auch bei der Lebenspartnerschaft spielen die Güterstände eine Rolle. Leben die Lebenspartner – was im Hinblick auf § 6 S. 1 LPartG der Regelfall sein dürfte – im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so findet gem. § 6 S. 2 LPartG die Vorschrift des § 1371 BGB entsprechende Anwendung. Auch hier findet also eine Erbteilserhöhung gem. § 1371 Abs. 1 BGB um ¼ statt. Der Lebenspartner erbt also neben Verwandten der ersten Ordnung (d.h. neben den Abkömmlingen) zu ½. Neben Verwandten der zweiten Ordnung erbt er zu ¾. Ebenso wie bei Ehegatten besteht auch hier die Möglichkeit, dass der Lebenspartner den gesetzlichen Erbteil ausschlägt und gem. § 1371 Abs. 2 und 3 BGB den (kleinen) Pflichtteil und den güterrechtlichen Zugewinnausgleich geltend macht. Für den Fall, dass die Lebenspartner durch Lebenspartnerschaftsvertrag die Gütertrennung vereinbart haben, sieht § 10 Abs. 2 S. 2 LPartG hinsichtlich der Erbfolge dieselbe Regelung wie § 1931 Abs. 4 BGB vor. Insofern kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden (siehe Rdn 22). Lebten die Lebenspartner in Gütergemeinschaft, so fällt der Anteil des verstorbenen Lebenspartners am gemeinsamen Vermögen in den Nachlass. Im Übrigen gilt die Vorschrift des § 1931 BGB.
Rz. 32
Übersicht: Erbrecht des eingetragenen Lebenspartners neben Verwandten der ersten Ordnung
Güterstand |
Erbquote des Lebenspartners |
Pflichtteilsquote des Lebenspartners |
Zugewinngemeinschaft |
Erbrechtliche Lösung |
½ |
¼ |
Güterrechtliche Lösung |
Lebenspartner wird nicht Erbe |
⅛ und vorweg zu berechnender Zugewinn |
Gütertrennung |
1 Kind |
½ |
¼ |
2 Kinder |
⅓ |
1/6 |
> 2 Kinder |
¼ |
⅛ |
Gütergemeinschaft |
¼ |
⅛ |