Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
1. Ehevertrag und Scheidungsvereinbarung
Rz. 104
Ehegatten haben im Grundsatz zwei Möglichkeiten, vertragliche Regelungen für den Fall der Scheidung ihrer Ehe zu treffen: Entweder durch einen vorsorgenden Ehevertrag oder durch eine Scheidungsvereinbarung (auch Scheidungsfolgenvereinbarung genannt). Nach der gesetzlichen Definition betrifft ein Ehevertrag zwar nur die güterrechtlichen Verhältnisse (§ 1408 Abs. 1 BGB). Die Praxis verwendet aber einen erweiterten Ehevertragsbegriff im Sinne einer vorsorgenden Regelung des Gesamtbereichs der ehelichen Lebensgemeinschaft und der Scheidungsfolgen, während die Scheidungsvereinbarung der Regelung einer konkret bevorstehenden Scheidung und ihrer Folgen dient.
2. Zeitpunkt und Form
Rz. 105
Der Ehevertrag kann – und wird in der Praxis häufig – bereits vor der Ehe geschlossen und entfaltet dann Rechtswirkungen erst mit der Eheschließung. Möglich ist es aber auch, den Ehevertrag zu jedem Zeitpunkt während der Ehe zu schließen (vgl. § 1408 Abs. 1 BGB). Scheidungsvereinbarungen dienen definitionsgemäß der Regelung einer konkret bevorstehenden Scheidung und werden daher regelmäßig im Zusammenhang mit der Trennung der Ehegatten geschlossen.
Rz. 106
Der Ehevertrag bedarf der notariellen Beurkundung (§ 1410 BGB). Diese Form gilt für güterrechtliche Vereinbarungen und für Vereinbarungen über nachehelichen Unterhalt, die vor Rechtskraft der Ehescheidung getroffen werden (§ 1585c BGB). Bei der notariellen Beurkundung des Ehevertrages müssen die Ehegatten zwar nicht zwingend persönlich erscheinen. Die beiderseitige persönliche Anwesenheit entspricht allerdings der Praxis und ist auch mit Blick auf die von der neuen Rspr. gezogenen Grenzen der Ehevertragsfreiheit (siehe Rdn 107 ff.) zu empfehlen. Die Scheidungsvereinbarung ist häufig ebenfalls notariell zu beurkunden. Dies gilt etwa, wenn ein vollstreckbarer Titel für die Unterhaltspflicht geschaffen werden soll (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich (§ 7 Abs. 1 VersAusglG) oder Zugewinnausgleich (§ 1378 Abs. 3 S. 2 BGB) getroffen wird oder Grundbesitz zu übertragen ist (§ 311b Abs. 1 BGB).
3. Ehevertragsfreiheit
Rz. 107
Die vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen zwischen den Ehegatten sind nach dem Gesetz dispositiv (für das Güterrecht siehe §§ 1408 Abs. 1, 1378 Abs. 3 S. 2 BGB; für den Versorgungsausgleich siehe § 1408 Abs. 2 BGB, § 6 VersAusglG; für den nachehelichen Unterhalt siehe § 1585c BGB). Es besteht also im Grundsatz Ehevertragsfreiheit. Diese findet allerdings ihre Grenzen in den allgemeinen gesetzlichen Schranken, so dass auch ehevertragliche Vereinbarungen wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) unwirksam sein können.
Rz. 108
Der BGH hat bis in das Jahr 2001 die Sittenwidrigkeit ehevertraglicher Vereinbarungen nur in Ausnahmefällen bejaht. So wurden Unterhaltsvereinbarungen dort Grenzen gesetzt, wo sie objektiv zwangsläufig zur Sozialhilfebedürftigkeit eines Ehegatten führten. Einen Verzicht auch auf Kindesbetreuungsunterhalt gem. § 1570 BGB hat der BGH grds. nicht für sittenwidrig gehalten, selbst wenn die Verlobte bei Abschluss des Ehevertrages bereits schwanger war. Denn eine rechtliche Verpflichtung zur Heirat bestehe nicht, weswegen ein Ehegatte die Heirat auch von einem (rechtlich grds. möglichen) Unterhaltsverzicht abhängig machen könne. Diese Rspr. ist jedoch durch zwei Entscheidungen des BVerfG aus dem Jahr 2001 in Frage gestellt worden, in denen das BVerfG einen verfassungsrechtlichen Schutzanspruch (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 4 GG) der (künftigen) Ehefrau und werdenden Mutter gegen unangemessene Benachteiligungen durch einen Ehevertrag gewährte.
Rz. 109
Der BGH sah sich durch diese Entscheidungen des BVerfG veranlasst, seine bisherige Rspr. zur Ehevertragsfreiheit zu ändern, und hat in einem Grundsatzurteil vom 11.2.2004 ausführlich zur Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle von Eheverträgen Stellung genommen. Dabei betont der BGH zwar den Grundsatz der Ehevertragsfreiheit: Einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten kenne das geltende Recht nicht. Allerdings dürfe die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werde. Dies ist nach Ansicht des BGH dann der Fall, wenn eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten – bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede – bei verständiger Würdigung des Wesens der Eh...