Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
A. Eheschließung
I. Materielle Voraussetzungen
1. Obligatorische Zivilehe
Rz. 1
Das deutsche Recht sieht die obligatorische Zivilehe vor. Die Ehe kann also mit Wirkung für den staatlichen Rechtsbereich nur vor einer staatlichen Behörde (Standesamt; siehe Rdn 10) geschlossen werden. Eine kirchliche Trauung hat keine bürgerlich-rechtlichen Wirkungen. Bis zum 31.12.2008 durfte eine kirchliche Trauung grds. erst nach der standesamtlichen Eheschließung vorgenommen werden (§ 67 PStG a.F.). Dieses Verbot der kirchlichen Voraustrauung ist mit dem neuen Personenstandsgesetz zum 1.1.2009 entfallen. Durch das Gesetz zu Bekämpfung von Kinderehen vom 17.7.2017 wurde mit Wirkung zum 22.7.2017 in § 11 Abs. 2 PStG ein Verbot religiöser oder traditioneller "Trauungen" eingeführt, wenn ein Partner noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat.
2. Verlöbnis
Rz. 2
Der Eheschließung geht ein (formfreies) Verlöbnis voraus. Hierunter versteht man zum einen das gegenseitige Versprechen von zwei Personen, künftig die Ehe eingehen zu wollen, zum anderen das mit diesem Versprechen begründete familienrechtliche Verhältnis. Das Eheversprechen ist allerdings weder einklagbar, noch kann es durch eine Vertragsstrafe abgesichert werden (§ 1297 Abs. 1 und 2 BGB). Durch das Verlöbnis werden die Verlobten in einigen zivil- und öffentlich-rechtlichen Bereichen Eheleuten gleichgestellt; sie haben z.B. im Zivil- und Strafprozess ein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO).
3. Persönliche Voraussetzungen
a) Zwei Personen
Rz. 3
Das BGB ging bis in das Jahr 2017 als selbstverständlich davon aus, dass die Ehe nur zwei Personen verschiedenen Geschlechts eingehen können. Für gleichgeschlechtliche Partner bestand allerdings seit 2001 die Möglichkeit, eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu begründen (siehe hierzu Rdn 124 ff.). Diese Rechtslage wurde durch Gesetz vom 20.7.2017 geändert: Nunmehr steht die Ehe auch Personen gleichen Geschlechts offen.
b) Ehefähigkeit
Rz. 4
Die Ehe darf nicht vor Eintritt der Volljährigkeit, also nicht vor Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 2 BGB), eingegangen werden, sog. Ehemündigkeit (§ 1303 S. 1 BGB). Mit einer Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, kann eine Ehe nicht wirksam eingegangen werden (§ 1303 S. 2 BGB). Diese Neufassung beruht auf dem Gesetz zu Bekämpfung von Kinderehen vom 17.7.2017. Anders als nach der Rechtslage bis 2017 ist die Volljährigkeit ausnahmslos Voraussetzung einer Eheschließung. War allerdings ein Verlobter bei Eheschließung 16 oder 17 Jahre alt, ist die Ehe trotz Verstoßes gegen § 1303 S. 1 BGB wirksam geschlossen, jedoch auf Antrag der zuständigen Behörde, den diese grundsätzlich stellen muss (§ 1316 Abs. 3 S. 2 BGB), gemäß § 1314 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufhebbar. Hatte ein Verlobter bei Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet, ist die Ehe unheilbar nichtig. Für eine im Ausland geschlossene Ehe gelten die vorstehenden Grundsätze über Art. 13 Abs. 3 EGBGB ebenfalls.
Rz. 5
Wer geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 2 BGB) ist, kann eine Ehe nicht eingehen (§ 1304 BGB). Der Geschäftsunfähigkeit wird der Fall gleichgestellt, dass sich ein Ehegatte bei Eheschließung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befand (§ 1314 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
c) Kein Eheverbot
Rz. 6
Eine Ehe darf nicht geschlossen werden, wenn zwischen einer der Personen, die die Ehe miteinander eingehen wollen, und einer dritten Person eine Ehe oder eine Lebenspartnerschaft i.S.d. LPartG (siehe hierzu Rdn 124 ff.) besteht, Verbot der Doppelehe (§ 1306 BGB). Auch zwischen Verwandten in gerader Linie (§ 1589 S. 1 BGB; z.B. Vater-Tochter) sowie zwischen vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern darf eine Ehe nicht geschlossen werden (§ 1307 BGB). Grundsätzlich gilt dies auch dann, wenn das Verwandtschaftsverhältnis auf einer Adoption beruht (§ 1308 BGB).
4. Rechtsfolgen von Verstößen
Rz. 7
Fehlt es an einer der vorgenannten Voraussetzungen, treten abhängig von der Schwere des Verstoßes unterschiedliche Rechtsfolgen ein: Um eine Nichtehe handelt es sich, wenn die Mitwirkung des Standesbeamten oder die Ehewillenserklärung eines Partners fehlt. Bei der Nichtehe entstehen keinerlei Ehewirkungen. Hierauf kann sich jeder berufen, ohne dass es eines gerichtlichen Gestaltungsurteils (Scheidungs- oder Aufhebungsurteils) bedarf. Bis zum 30.9.2017 lag auch dann eine Nichtehe vor, wenn sie von zwei gleichgeschlechtlichen Personen eingegangen wurde.
Rz. 8
Leidet die Eheschließung unter bestimmten schwerwiegenden Mängeln, die aber nicht zur völligen Unbeachtlichkeit (Nichtehe) führen, liegt eine aufhebbare Ehe vor. Die Aufhebungsgründe sind abschließend in § 1314 BGB genannt. So bilden etwa Verstöße gegen die §§ 1303, 1304, 1306 und 1307 BGB Aufhebungsgründe. Auch bestimmte Willen...