Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen im Güterrecht werden nach Art. 36 Abs. 1 der VOen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt (Grundsatz der Anerkennung), ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Jede Partei, die die Anerkennung einer Entscheidung zu einem zentralen Element des Streitgegenstands macht, kann in den Verfahren der Art. 44 bis 57 der VOen die Anerkennung der Entscheidung beantragen (so Art. 36 Abs. 2 der VOen – selbstständige Feststellung). Hängt der Ausgang eines Verfahrens vor dem Gericht eines Mitgliedstaats von der Entscheidung über die inzidente Frage der Anerkennung ab, so ist dieses Gericht nach Art. 36 Abs. 3 der VOen für die Entscheidung über die Anerkennung zuständig (Inzidentanerkennung).
Eine Entscheidung wird nach Art. 37 der VOen nur dann nicht anerkannt (Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung), wenn einer der folgenden (abschließend normierten) Gründe vorliegt:
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Die Anerkennung würde der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie beantragt wird, offensichtlich widersprechen (Buchst. a – offensichtlicher Widerspruch mit dem ordre public). Die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung über den ehelichen Güterstand/die güterrechtlichen Wirkungen einer eingetragenen Partnerschaft nach Maßgabe der VOen sollte nach Erwägungsgrund Nr. 64 der EuEheGüVO respektive Erwägungsgrund Nr. 63 der EuPartGüVO in keiner Weise die Anerkennung der Ehe/eingetragenen Partnerschaft implizieren, die dem ehelichen Güterstand (den güterrechtlichen Wirkungen der eingetragenen Partnerschaft), der Anlass zu der Entscheidung gegeben hat, zugrunde liegt. Es soll vermieden werden, dass mitgliedstaatliche Entscheidungen über güterrechtliche Fragen deswegen nicht anerkannt werden, "weil die Ehe nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats wegen fehlender Geschlechtsverschiedenheit ordre-public-widrig ist". Vgl. in diesem Kontext allerdings auch die Einschränkung von Buchst. a durch Art. 39 Abs. 2 der VOen, wonach das Ordre-public-Kriterium keine Anwendung auf die Zuständigkeitsvorschriften in den Art. 4 bis 11 der VOen findet – das Kriterium der öffentlichen Ordnung auf diese Vorschriften also nicht anwendbar ist. |
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Dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat die Entscheidung nicht angefochten, obwohl er die Möglichkeit dafür hatte (Buchst. b – Verletzung des rechtlichen Gehörs). |
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Die Entscheidung mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Verfahren zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung beantragt wird, ergangen ist (Buchst. c – Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung aus dem Anerkennungsstaat). |
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Die Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat in einem Verfahren zwischen denselben Parteien wegen desselben Anspruchs ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, erfüllt (Buchst. d – Unvereinbarkeit mit einer früheren ausländischen Entscheidung). |
Art. 37 der VOen ist gemäß Art. 38 der VOen (Grundrechte) von den Gerichten und anderen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unter Beachtung der in der Europäischen Grundrechtecharta (EuGrCh) anerkannten Grundrechte und Grundsätze anzuwenden (insbesondere des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung in Art. 21 EuGrCh). Infolgedessen darf eine Anerkennung einer Entscheidung nicht aus Gründen versagt werden, die gegen Art. 21 EuGrCh verstoßen (bspw. Verbot einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts).
Die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats darf nach Art. 39 Abs. 1 der VOen nicht überprüft werden (Ausschluss der Nachprüfung der Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats). Das Kriterium der "öffentlichen Ordnung" (ordre public) in Art. 37 (Buchst. a) der VOen findet gemäß Art. 39 Abs. 2 der VOen keine Anwendung auf die Zuständigkeitsvorschriften in den Art. 4 bis 11 EuEheGüVO respektive Art. 4 bis 12 EuPartGüVO.
Beachte: Die in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung darf nach Art. 40 der VOen keineswegs in der Sache selbst nachgeprüft werden (Ausschluss einer Nachprüfung der Entscheidung in der Sache): Verbot einer révision au fond. "Art. 40 (EuEheGüVO) ist Ausfluss des gegenseitigen Vertrauens in die Justiz innerhalb der Union und Grundlage des Anerkennungsprinzips nach den Art. 36 ff. (EuEheGüVO)". Daher darf keine Überprüfung stattfinden, ob dem Erlassgericht Verfahrensfehler unterlaufen sind, ob die Tatsachenfeststellung bzw. -würdigung zutreffend war oder eine richtige Anwendung des Sach- bzw. Kollisionsrechts erfolgt ist.
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