Kap. V (Art. 58 bis 60) der VOen trifft (entsprechend der Art. 59 bis 61 EuErbVO) Regelungen über öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche.
"Öffentliche Urkunden" sollen nach Erwägungsgrund Nr. 58 der EuEheGüVO respektive Erwägungsgrund Nr. 57 der EuPartGüVO in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung entfalten: "Die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung sollte durch Bezugnahme auf Art und Umfang der formellen Beweiskraft der öffentlichen Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat bestimmt werden. Somit richtet sich die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats". Eine Aus-nahme soll nur für den Fall gelten, dass die Anerkennung einer im Ursprungsmitgliedstaat errichteten öffentlichen Urkunde dem ordre public des betreffenden Mitgliedstaats offensichtlich widerspricht.
Die Regelungen der Art. 59 und 60 der VOen zielen i. Ü. darauf ab, "die Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden und gerichtliche Vergleiche aus anderen Mitgliedstaaten zu fördern".
9.1 Annahme öffentlicher Urkunden
Eine in einem Mitgliedstaat errichtete öffentliche Urkunde hat nach Art. 58 Abs. 1 Unterabs. 1 der VOen in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung, sofern das der öffentlichen Ordnung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaats nicht offensichtlich widerspricht. Auch hier ist in Bezug auf den ordre public "große Zurückhaltung" geboten. Eine Person, die eine öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat verwenden möchte, kann die Behörde, die die öffentliche Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat errichtet, nach Art. 58 Abs. 1 Unterabs. 2 der VOen ersuchen, das nach dem Beratungsverfahren nach Art. 67 Abs. 2 der VOen erstellte Formblatt auszufüllen, das die formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde in ihrem Usprungsmitgliedstaat beschreibt.
Einwände gegen die Authentizität einer öffentlichen Urkunde sind gemäß Art. 58 Abs. 2 der VOen bei den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats zu erheben. Über diese Einwände wird nach dem Recht dieses Staates (d. h. des Ursprungsmitgliedstaats) entschieden. Eine öffentliche Urkunde, gegen die solche Einwände erhoben wurden, entfaltet in einem anderen Mitgliedstaat keine Beweiskraft, solange die Sache bei dem zuständigen Gericht anhängig ist.
Hingegen sind Einwände gegen die in der Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte bzw. Rechtsverhältnisse vor den nach den VOen zuständigen Gerichten nach Maßgabe des nach Kap. III (Art. 20 bis 35) der VOen anwendbaren Recht geltend zu machen.
9.2 Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden/gerichtlicher Vergleiche
Öffentliche Urkunden/gerichtliche Vergleiche, die im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind, werden nach Art. 59 Abs. 1/Art. 60 Abs.1 der VOen in einem anderen Mitgliedstaat auf Antrag eines Berechtigten nach den Verfahren der Art. 44 bis 57 der VOen für vollstreckbar erklärt. Für die Zwecke des Art. 45 Abs. 3 Buchst. b der VOen stellt die Behörde, die die öffentliche Urkunde errichtet hat, auf Antrag eines Berechtigten eine Bescheinigung unter Verwendung des nach dem Beratungsverfahren nach Art. 67 Abs. 2 der VOen erstellten Formblatts aus (so Art. 59 Abs. 2 der VOen). Die Vollstreckbarerklärung darf gemäß Art. 59 Abs. 3/Art. 60 Abs. 3 der VOen von dem mit einem Rechtsbehelf nach Art. 49 oder 50 der VOen befassten Gericht nur dann versagt oder aufgehoben werden, wenn die Vollstreckung der öffentlichen Urkunde/des gerichtlichen Vergleichs der "öffentlichen Ordnung" (ordre public) des Vollstreckungsmitgliedstaats "offensichtlich" widersprechen würde.