Jochem Schausten
Beginnen wir dieses Editorial mit einem Zitat, welches Antoine de Saint-Exupéry (den wir sicher alle kennen) zugeschrieben wird: "Wer nur um Gewinn kämpft, erntet nichts, wofür es sich lohnt zu leben."
Vermutlich werden die meisten von uns dieses Zitat sofort bestätigen. Denn wir Familienrechtler kämpfen ja tagtäglich nicht um den schnöden Mammon, sondern um Entscheidungen, die Lebenswege nachhaltig beeinflussen können. Aber – und darum geht es mir eigentlich – wir sollten das "nur" nicht überlesen.
Womit ich bei Robert Penn Warren wäre, den wahrscheinlich nicht mehr alle von uns kennen – ich gestehe zu, mir ging es mal genauso. Mr. Warren war ein amerikanischer Schriftsteller, sogar Pulitzer-Preisträger, ihm wird folgendes Zitat zugeschrieben: "Poets, we know, are terribly sensitive people, and in my observation one of the things they are most sensitive about is money." Ersetzen wir hier die "Poets" durch die "Family Lawyers", nähern wir uns wieder etwas mehr dem Thema meines Editorials. Auch wir Familienrechtler werden sehr empfindsam, wenn es um Geld geht, vor allem um jenes, welches wir von unseren Mandanten gerne für unsere Dienstleistung hätten.
Womit ich bei Vincent van Gogh wäre, von dem wir sicher alle schon einmal etwas gehört bzw. gesehen haben. Diesem begnadeten Maler wird folgendes Zitat zugeschrieben: "Ich mache mir immer wieder Vorwürfe, dass meine Malerei nicht wert ist, was sie kostet." Jetzt ersetzen wir "Malerei" durch "anwaltliche Dienstleistung" – und sind dem Anlass für dieses Editorial noch einen Schritt näher gekommen.
Denn letztens begab es sich mal wieder, dass nach einer gerichtlichen Verhandlung die Gegenstandswerte für das Scheidungsverfahren und den Versorgungsausgleich festgesetzt werden sollten. Die Eheleute waren zwei Unternehmer, er an mehreren GmbHs, sie an einer beteiligt. In meiner Antragsschrift hatte ich umfangreich zu dem Wert der Beteiligungen (wobei ich freundlicherweise nur den Nennwert der jeweiligen Geschäftsanteile angesetzt hatte), der überdurchschnittlich wertvollen Wohnimmobilie (wohlbemerkt unbelastet) und diversen weiteren Vermögenswerten (bekannt aus dem Zugewinnausgleich) vorgetragen – summa summarum ergaben sich Vermögenswerte von ca. einer Million Euro.
In dem Termin hatten wir noch einen wechselseitigen Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs protokolliert – nachdem alle Auskünfte eingeholt worden waren. Wie es so ist am Ende eines solchen Termins, wollte das Gericht dann den Gegenstandswert festsetzen. Die Richterin erinnerte sich, dass sie den Verfahrenswert für die Ehescheidung ja schon auf 30.000 EUR festgesetzt hatte – und meinte dann im Hinblick auf den Verzicht in dem Versorgungsausgleichsverfahren, den Gegenstandswert für dieses Verfahren auf 1.000 EUR festsetzen zu müssen. Daraufhin der Kollege – was mich zuerst erfreute: "Frau Vorsitzende, das ist nicht richtig, wenn die Auskünfte eingeholt wurden, sollte der Gegenstandswert für den Versorgungsausgleich mit 10 % der dreimonatigen Nettoeinkünfte der Ehegatten je Anrecht festgesetzt werden …", um dann quasi ansatzlos weiter auszuführen – was mich weniger erfreute: "… aber wir müssen es für die Beteiligten ja nicht unbedingt teurer machen als notwendig!"
Mir ist aus vielen Terminen bekannt, dass dieser Kollege kein Einzelfall ist. Immer wieder erlebe ich, dass gerade Familienrechtler Probleme haben, das nach dem RVG angemessene Honorar für ihre anwaltliche Dienstleistung zu fordern. Dabei können gerade wir Familienrechtler – die wir über die geringeren VKH-Gebühren bereits unsere Pro-bono-Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft erfüllt haben – es uns nicht erlauben, auf abrechenbare Gebühren zu verzichten. Denn wer bei lukrativen Mandaten nicht auf die nach dem Gesetz richtige Festsetzung des Gegenstandswertes (bei Ehesachen auch unter Berücksichtigung des Vermögens) achtet, darf sich hinterher nicht beklagen, dass im Familienrecht kein gutes Geld zu verdienen wäre.
PS: Sollte Ihnen dieses Editorial in Teilen bekannt vorkommen, war dies Absicht: "Steter Tropfen höhlt den Stein!" (angeblich Choirilos von Samos).
Autor: Jochem Schausten
Jochem Schausten, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Krefeld
FF 3/2018, S. 89